050 - Die Blutsauger
Stoff, der schwarz glänzte …«
»Und was geschah, als sie zu Ihnen ins Auto stieg? Oder soll ich das nicht fragen?« lächelte Henry. Aber wieder hatte seine Stimme einen nachdenklichen Unterton.
»Das erste mal nicht viel. Wir saßen da und sprachen. Aber ich bemerkte einige sonderbare Dinge, die mich schon damals verwirrten.«
»Zum Beispiel?«
»Zum Beispiel trug sie keine Schuhe, und ihr Parfüm war ekelhaft süßlich und viel zu stark – fast so, als würde sie es verwenden, um einen andere Geruch damit zu übertönen. Ein Parfüm, so intensiv und betäubend wie Chloroform oder Weihrauch.«
»Aber es ist doch ein gehöriger Unterschied zwischen Chloroform und Weihrauch!« stellte der Doktor fest.
»Das weiß ich natürlich«, meinte Leroy ungeduldig. »Aber es ist bei beidem dieser gewisse übelkeitserregende süße Geruch vorhanden. Und das war das Ausschlaggebende bei Lilettes Parfüm«, setzte er eigensinnig hinzu.
»Interessant«, bemerkte der Doktor.
»Und es gab noch interessantere Dinge als süßliches Parfüm und nackte Füße«, sagte Leroy.
»Erzählen Sie!«
»Sie schien keinen Schatten zu werfen. In einer bestimmten Nacht habe ich es ganz besonders deutlich bemerkt, als sie neben einem Baumstamm stand, der einen klaren Schatten warf. Aber Lilette warf keinen …«
»Unglaublich«, sagte der Doktor. Es klang besorgt und verwirrt.
»Was denken Sie darüber, Henry?« fragte Leroy.
»Ich möchte keine voreiligen Schlüsse ziehen«, erklärte Foster. »Erzählen Sie erst weiter.«
»Da war noch etwas. Eines Nachts sprang sie aus dem Wagen, als ich ziemlich schnell fuhr.«
»Und? Hat sie sich verletzt?« Das Berufsinteresse des Arztes wurde wach.
»Das ist ja das Seltsame: ich weiß es nicht, ob sie sich verletzt hat oder nicht, denn sie ist verschwunden. Ja!« rief er, als er Fosters zweifelnden Blick sah. »Ja! Sie verschwand, so, als ob sie sich in Luft aufgelöst hätte!«
»Sie sind ganz sicher, daß es nicht nur eine Täuschung war?«
»Ich bin ganz sicher«, antwortete Leroy fest.
Wieder saßen die beiden Männer eine Weile schweigsam da.
»Aber da ist doch noch etwas, oder?« forschte der Doktor weiter und sah Leroy erwartungsvoll an. »Da ist noch etwas, das Sie mir bisher verschwiegen haben!«
Leroy nickte langsam. »Es gibt tatsächlich etwas, was ich Ihnen verschwiegen habe. Und das ist vielleicht das Seltsamste an der Sache überhaupt.«
»Sie müssen es mir sagen. Ich habe ein Gefühl, daß dieses Detail eine wichtige Rolle spielen könnte.«
»Als ich sie in meinen Armen hielt«, sagte Leroy leise, und während er darüber sprach, schien der Vorfall nichts von seiner ursprünglichen Ungeheuerlichkeit einzubüßen, ganz im Gegenteil, die einfachen, schmucklosen Worte ließen ihn noch haarsträubender erscheinen, »als ich sie im Arm hielt, sah ich zufällig in den Rückspiegel des Wagens. Der Spiegel zeigte nur mein eigenes Gesicht, der Sitz neben mir war leer. Lilette hatte auch kein Spiegelbild …«
Der Doktor blickte Leroy Thompson starr an.
»Und noch etwas«, sagte Leroy. »Die Stelle, an der sie damals aus dem Wagen sprang, lag knapp vor einer Brücke, die über einen kleinen Fluß führte. Bevor wir die Brücke passierten, öffnete sie den Wagenschlag und sprang hinaus.«
Dr. Foster lehnte sich in seinen Lehnstuhl zurück, stützte die Ellenbogen auf und starrte ins Leere. »Nun, Leroy, Ihre kleine Lilette hat wohl alle Anzeichen …«
»Was meinen Sie damit?«
»Ich meine damit, daß es sich hier um das traditionelle Vampirthema handelt!«
»Vampir?« krächzte Leroy entsetzt. »Mein Gott!«
Seine Hand fuhr an seine Kehle. »Was soll das?« fragte Foster.
»Sie hat mich gebissen«, flüsterte Leroy. »Sie hat mich zweimal gebissen!«
»Lassen Sie mich einen Blick darauf werfen«, sagte der Doktor in einem Tonfall, der keinen Widerspruch duldete. Er lehnte sich hinüber und betrachtete die beiden Bißstellen an Leroy Thompsons Kehle. »Soso …«
»Sie scheinen ja nicht besonders besorgt, Doktor!« meinte Leroy böse. »Herr im Himmel! Ich bin infiziert!«
»Das kommt nur von Ihrem überarbeiteten Gehirn!« lächelte Foster. »Ein Psychiater würde sagen, Sie haben ein perfektes Vampirsyndrom entwickelt. Manche Fachleute betrachten das als eine Abart des Verfolgungswahns.« Der Doktor lehnte sich wieder in seinen Stuhl zurück und schloß die Augen. »Lassen Sie es mich so erklären. In den Tiefen unseres Unterbewußtseins wachsen allerlei
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