050 - Monsterburg Höllenstein
durchquerte den Zwischentrakt und rannte
dann treppauf in einen schmalen Turm. Steil und gewunden führte die Treppe nach
oben. Die Vampirin wollte sich verstecken und Brent abschütteln, um aus der
Nähe des geweihten Gegenstandes zu kommen. Sie lief die Treppe bis zum Ende
hoch. Gehetzt blickte sie sich um. Eine Sackgasse!
Zurück konnte sie nicht.
Hier oben war nur eine kleine Kammer. Sie riß die Tür auf, als ihr Verfolger
die letzte Kurve um die gewundene Treppe nahm. Hinein in das Verlies, und das
schmerzliche Erkennen, daß die Kammer kein Fenster hatte… Der Turm war
zugemauert! Nichts wie raus hier! Aber es war schon zu spät…
Larry Brent erkannte die
einmalige Chance. Er flog förmlich nach vorn und warf sich gegen die Tür, ehe
die Tageslicht-Vampirin den Weg zurück einschlagen konnte. Die Tür krachte ins
Schloß. In das Krachen mischte sich der gellende Schrei aus der Kehle der
Vampirin. Die Schwärze! Die Vampirin war in der fensterlosen, stockfinsteren
Kammer eingesperrt, warf sich gegen die Tür, trat und schlug dagegen. Sie riß
an der Klinke. Aber X-RAY-3 stemmte sich dagegen und ließ nicht zu, daß die
Geflohene, die sich in ihren eigenen Untergang gestürzt hatte, wieder
herauskam. Dann ließ das Trommeln und Klopfen nach. Der Schrei verwehte…
Totenstille. Langsam drückte X-RAY-3 die Klinke in die Tiefe und zog die Tür
auf.
Durch den sich
verbreiternden Spalt sah er, was sich ereignet hatte. Die Vampirin, dir nur im
Tageslicht leben konnte, lag auf dem Boden. Ihr Körper war eingebrochen wie bei
einer ausgetrockneten Mumie. Dunkler Dunst stieg von dem morbiden Knochen auf,
das Fleisch zerfiel, und zurück blieb die schwarze Bluse, der Rock und die
weiße Servierschürze. Die Dunkelheit wurde zum Henker für ein Wesen, das kein
wirklicher Mensch mehr war.
●
Larry Brent eilte zurück
in den Korridor.
Er kam an der Treppe an,
als der Polizeichef sich von unten einen Weg durch den zähen Rauchvorhang
bahnte. Auf Eckerts Armen lag eine junge Frau. Ihr Kleid war zerrissen, wirr
hingen ihr die Haare in die Stirn, ihr Gesicht war rußverschmiert, und schlaff
baumelten die nackten Arme an den Seiten herab.
Keuchend kam Eckert in
die Höhe. Die Hitze, der Rauch und der Sauerstoffmangel setzten ihm zu. Er
taumelte Larry entgegen, und X-RAY-3 war dem Mann behilflich, die letzten Stufen
in die Höhe zu klettern. Sie brachten die bewußtlose Jessica Paine in
Sicherheit, während unten in den Gewölben das Feuer tobte. Telefonisch forderte
Larry Brent Hilfe an, machte sich mit Ellen Maroth dann selbst daran, dem Feuer
zu Leibe zu rücken. In der Küche gab es Feuerlöscher. Die brachten nicht viel,
aber sie konnten mit dem Schaum verhindern, daß die Flammen auf das hölzerne
Geländer übergriffen und damit auf die Räume in den oberen Etagen. Die Flammen
erstarben, sie fanden in dem klobigen Gestein keine Nahrung. In die rauchenden
Trümmer wagten sich Larry Brent, Eckert und fünf weitere Polizeibeamte, die
inzwischen eingetroffen waren. In den Gewölben stießen sie auf die verkohlten
Leichen der Monster. Es war alles so, wie die zu sich gekommene Jessica Paine stammelnd
und wie im Fieber berichtet hatte. Das Panoptikum des Grauens, das William Joe
Paine mit Hilfe seines magischen Blutes geschaffen hatte, existierte. Aber
keines seiner Geschöpfe hatte die Feuersbrunst überlebt.
Bei ihrem Rundgang durch
die Gewölbe stießen die Männer auf Grüfte und Schächte. Massengräber… Hier
wurden die Leichen jener Menschen aufbewahrt, die bei dem Kontakt mit dem
magischen Blut zu Tode gekommen waren oder die Paine ermordete, weil sie seine
Kreise störten.
Im Halbdunkeln vor ihnen
tauchte noch mal eine Gestalt auf. Ihre Konturen waren durchscheinend,
zerfließend. Durch ihren Körper sah man den rauhen Hintergrund der Wand. »Anja
Garetz!« entfuhr es Larry Brent.
»Ich bin befreit… danke…
für die Hilfe!« wisperte der Geist. Ein verklärtes Lächeln lag auf dem Antlitz.
»Nun werde ich in einem geweihten Grab ruhen können, und die Ruhelosigkeit… hat
ein Ende…«
Dies war das letzte Mal,
daß Anja Garetz Geist in Erscheinung trat. Sie hatte immer versucht, auf sich
aufmerksam zu machen. Aber nie war es ihr gelungen, Hilfe dorthin zu lotsen, wo
sie sie brauchte . Die Berührung mit dem magischen Blut hatte sich in
ihrem Fall anders ausgewirkt als bei anderen Menschen. In ihr war eine mediale,
geistige Kraft erwacht, die über ihren körperlichen Tod hinaus wirkte.
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