0500 - Der Dunkle Gral
fragte ich.
»Du solltest meinen Namen eigentlich kennen, das heißt, nein. Damals galt nur einer etwas. Jakob de Molay, unser Herrscher, unser Führer, unser Großmeister. Er wurde getötet und viele seiner Freunde mit ihm. Auch wir gehörten zu ihm. Ich stand einer Gruppe von Männern vor, die du hier siehst. Nach der Ermordung des Großmeisters gelang es uns, hierher zu fliehen, ich trat dessen Nachfolge an. Weißt du jetzt, mit wem du es zu tun hast?«
Ich überlegte verzweifelt. Gehört hatte ich den Namen sicherlich schon, nur fiel er mir nicht ein. »Es tut mir leid, aber ich kann es im Augenblick nicht sagen.«
»Dann werde ich dich aufklären. Ich bin der legitime Nachfolger Jakob de Molays, den du kennst.«
»Natürlich.«
»Mein Name ist Peter von Aumont!«
Er sprach ihn mit einem gewissen Stolz in der Stimme aus, als hätte er mir soeben etwas Besonderes mitgeteilt. Wahrscheinlich hatte sein Name damals einen besonderen Klang und auch Ruf unter den Templern gehabt. Heute allerdings sah dies anders aus, denn ich konnte mit ihm tatsächlich nichts anfangen.
»Du sagst nichts?«
»Nein, ich wüßte nicht…«
»Dann hast du von mir noch nichts gehört?«
»Bestimmt nicht und auch nicht in Verbindung mit dem Dunklen Gral, das mußt du mir glauben.«
»Viele Suchende werden in die Irre geleitet«, erklärte er. »Vielleicht gehörst du auch zu denen, aber ich werde dir keine Vorwürfe deswegen machen, sondern dich aufklären, was es mit uns für eine Bewandtnis hat.«
»Dafür wäre ich dir dankbar.«
»Ich muß weit in die Vergangenheit zurückgehen, kurz bevor man Jakob de Molay auf der Ile de la Cité hinrichtete.«
»Die Zeit habe ich erlebt.«
»Das sagte man mir.«
»Und wer?«
»Das Jenseits sieht alles. Ich habe auch von deinem Rettungsversuch einiges gesehen, aber ich wußte, daß du es schaffen konntest. Du kannst nicht in das Rad der Geschichte eingreifen. Für dein Bemühen aber herzlichen Dank. Wir jedenfalls wußten, daß sich damals etwas gegen uns Templer zusammenbraute. Ich hatte sogar Verständnis für unsere Feinde, denn Verräter in unseren eigenen Reihen, die sich dem Baphometh-Kult zugewendet hatten, machten es unseren Feinden leicht, die einfachen Menschen gegen uns aufzubringen. So war es nur noch ein kleiner Schritt bis zur Vernichtung. Sie haben uns gehetzt, gejagt, gefangen und gefoltert. Sie wollten unser Gold, unser Vermögen, und sie wollten unseren Tod, das heißt, unsere Vernichtung. Bei vielen hat es geklappt. Unsere Brüder liefen in ihre Fallen und wurden grausam getötet. Aber sie konnten nicht alle umbringen. Es gab zahlreiche Templer, die die Warnungen früh genug erkannt hatten und sich absetzten. Die meisten flohen außer Landes, auch wir. Dabei hatten wir vernommen, daß England noch frei für Menschen wie uns war. Bei Nacht und Nebel segelten wir in dieses Land, gingen an einer einsam liegenden Küste von Bord des Schiffes und schlugen uns durch, bis wir hierher kamen, wo wir unsere neue Kirche bauten. Ich wurde zum Nachfolger des Großmeisters bestimmt, ich wollte von hier die Kraft der Templer leiten, doch es kam alles anders. Wir wußten nicht, daß in diesem Gebiet die starke Magie der Kelten sich festgesetzt hatte. Ein mächtiger Dämon namens Garinga herrschte mit grauenhafter Strenge und war auch unser Feind. Wir bekämpften ihn mit dem Schwert des Gottfried von Bouillon, wir konnten ihn ausschalten, aber nicht vernichten. Erst als das Schwert und das Kreuz zusammenkamen, wurden wir von seinem Fluch, den er ausgesprochen hatte, erlöst.«
»Dann hat er euch zu Toten gemacht?« fragte ich.
»Ja, so war es. Aber er tötete uns so wenig, wie wir ihn hatten töten können. Er bannte uns nur. Wir verwesten, unsere Haut viel von den Knochen, die Kleidung verging, wir verloren unser Aussehen, aber nicht unsere Seelen. Wir schwebten unsichtbar in der Kirche, und so warteten wir die Jahrhunderte. Manchmal schrieen wir unser Elend heraus. Es waren die Stimmen, die du gehört hast, aber unser Geheimnis konnte uns nicht entrissen werden.«
»Der Dunkle Gral?« fragte ich.
»Ja, der Gral.«
»Dann weißt du darüber Bescheid?« vergewisserte ich mich noch einmal und konnte ein Zittern der Stimme nicht vermeiden.
»So ist es.«
»Was ist der Gral?«
Peter von Aumont lachte leise. »Es ist das große Geheimnis, das demjenigen, der es kennt, Macht über die Zeiten geben kann.«
»Hat die Mär vom Heiligen Gral, die Parcival…?«
»Nein, mach keinen
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