0500 - Die Quelle des Lebens
tun!« glaubte Richter McLeod seinen unerwünschten Besucher abwimmeln zu können. Dem platzte der Kragen. Er tat etwas, worauf er sonst liebend gern verzichtete, und knallte dem Richter seinen MI-Sonderausweis auf den Tisch. »Sir, geben Sie mir jetzt Auskunft, aus welchem Grund Sie trotz der protokollierten Anschuldigungen und Strafanzeigen keinen Haftbefehl ausgestellt haben?«
McLeod prüfte den Ausweis, fand daran aber wohl zu seinem Leidwesen nichts auszusetzen. Er verzichtete sogar darauf, seiner Verwunderung darüber Ausdruck zu verleihen, daß ein Ausländer über diese Vollmacht verfügte. »Na schön, Mister Zamorra, aber hoffentlich einigt sich Ihre Abteilung irgendwann einmal darüber, was hier geschieht. Ich bekam Anweisung von MI-5, McMour unverzüglich auf freien Fuß zu setzen und die Protokolle und Anklageschriften zur Bearbeitung nach London zu geben. Das habe ich getan. Mich geht’s nichts mehr an. Noch Fragen, Mister Zamorra? Bei Ihrer Firma scheint wohl die eine Hand nicht zu wissen, was die andere macht, und Figuren wie James Bond gibt’s nur im Film…«
»Da will ich nicht widersprechen, Sir«, erwiderte Zamorra. »Eine Frage habe ich noch. Wer in unserer Abteilung war denn so närrisch, diese Anweisung ergehen zu lassen?«
McLeod sah ihn prüfend an. Zamorra wich seinem Blick nicht aus. Plötzlich griff McLeod in seine Schublade, nahm einen Schnellhefter heraus und drehte ihn aufgeklappt Zamorra zu. »Bitte, Sir, die Anweisung. Von MI-5, Ihrer Abteilung. Die Richtigkeit wurde nachgeprüft. Alles ist korrekt.«
Zamorra laß den kurzen Text der Anweisung. Er las auch die Unterschrift, und er glaubte in einen Abgrund zu stürzen.
Odinsson
***
»Odinsson«, wiederholte Zamorra nach seiner Rückkehr nach Llewellyn-Castle. »Er hat auch hier seine Hände im Spiel. Aber, verdammt, warum läßt er einen Berufskiller auf freien Fuß setzen? Und warum läßt ein Haftrichter sich von einer Anweisung aus der Secret-Service-Zentrale unter Druck setzen?«
»Hast du ihn nicht danach gefragt?« hakte Nicole nach.
»Konnte ich nicht mehr. Er war der Ansicht, damit seiner Auskunfts pflicht Genüge getan zu haben, und hat mich an die frische schottische Luft gesetzt. Und ich wollte keinen Streit. Vermutlich hätte er mir auch nichts verraten, wenn ich ihm den Sonderausweis noch einmal unter die Nase gehalten hätte. Unser alter Feind steckt also dahinter.«
»Aber was hat er mit Bryont zu tun? Warum schützt er einen von Torre Gerret gedungenen Mörder?«
»Frag mich was Leichteres. Zum Beispiel, ob die Steuern erhöht werden.«
»Odinsson ist hinter dir her«, meinte Nicole. »Er versucht dir alles Mögliche und Unmögliche in die Schuhe zu schieben. Wenn der Anschlag dir gegolten hätte, könnte ich diesen Amtsmißbrauch noch verstehen. Aber das Attentat galt dem Lord!«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Vielleicht wüßten wir mehr, wenn wir wüßten, wer dieser Odinsson ist.«
»Balder Odinsson kann es nicht sein. Der ist so tot, wie man nur tot sein kann«, sagte Nicole. Colonel Balder Odinsson, Sonderbeauftragter des Pentagons, hatte praktisch vor Nicoles Augen sein Leben geopfert, um eine unabsehbare Gefahr von der Menschheit abzuwehren. Und seit etwa einem Jahr versuchte jemand, der sich Odinsson nannte, Zamorra juristische Knüppel zwischen die Beine zu werfen!
Zamorras Anwalt hatte bislang nur den Namen dieses Mannes in Erfahrung bringen können und, daß dieser Odinsson entweder für Interpool oder einen international aktiven Geheimdienst arbeitete.
Das paßte; Balder Odinsson war geheimdienstlich eines der weltweit »höchsten Tiere« gewesen. Für ihn hatte das Wort unmöglich nicht existiert.
Wenn der Mann, der sich jetzt Odinsson nannte, auch nur einen Bruchteil der Möglichkeiten besaß und mißbrauchte, die Balder Odinsson einst zur Verfügung gestanden hatten, sah Zamorra schweren Zeiten entgegen. Für den Meister des Übersinnlichen sah es nach einem großangelegten Racheakt aus. Aber Rache wofür? Er kannte seinen Gegenspieler ja nicht einmal, wußte nicht, welchen Grund er diesem für seine Aktionen gegeben haben könnte.
Und jetzt schaltete sich dieser Odinsson auch in das Attentat gegen Lord Saris ein? Warum?
Zamorra stand vor einem Rätsel!
***
Gegen Abend traf die Hebamme ein. Sie war schon vorher telefonisch darüber in Kenntnis gesetzt worden, daß sie auf Llewellyn-Castle benötigt wurde, und sie hatte es so einrichten können, daß sie auf Abruf bereit war.
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