0500 - Die Quelle des Lebens
Schultern.
»Das wäre schlimm gewesen. Es durfte einfach nicht sein. Ein Auserwählter hat nicht abzulehnen. Er hat die Prüfung auf sich zu nehmen. Du warst mir schon damals sympathisch, sonst hätte ich dich nicht in den Clan adoptiert. Du hättest mich böse enttäuscht. Wahrscheinlich hätte ich dich zur Quelle geprügelt.«
»Du hättest Nicole nehmen können; du sagtest gerade selbst, daß du auch in ihr die Anlagen erkannt hast.«
»Die Anlagen haben viele, ohne auserwählt zu sein.«
Er schluckte, räusperte sich. Von einem Moment zum anderen hatte Zamorra das Gefühl, daß die Hoch-Phase des Lords vorbei war, der förmlich in sich zusammensank. Wenn er jetzt, unterwegs im Auto, wieder einen Zusammenbruch erlitt…
Aber dann straffte er sich wieder.
»Ja, und dann war da plötzlich das Problem. Der Mann, der sich Torre Gerret nannte. Schon recht alt, eitel und aufs Äußerliche bedacht wie kaum jemand sonst - und mit der Veranlagung. Und noch dazu auserwählt. Ich glaubte, den Verstand zu verlieren. Ich kann mich nicht erinnern, daß ich jemals zuvor zwei Auserwählte zugleich gefunden habe. Wenn, dann liegt es so weit zurück, daß ich es beim besten Willen nicht mehr weiß.«
Zamorra nickte. Wer konnte sich schon um 30 000 Jahre zurück erinnern? Er kannte keinen Menschen, der auch nur sein eigenes Leben komplett kannte. Bei den meisten setzte die früheste Erinnerung etwa im Alter von drei oder vier Jahren ein. Er selbst gehörte zu den großen Ausnahmen; seine früheste Erinnerung zeigte ihn im Garten des Elternhauses auf einer Decke, ein Spielzeug-Schäfchen in der Hand, und er konnte beschreiben, was sich um ihn herum abgespielt hatte und wer in seiner Nähe gewesen war. Das sollte im Alter von knapp über einem Jahr gewesen sein; danach klaffte dann eine gewaltige Lücke. Wie sollte der Llewellyn sich da an Dinge erinnern, die vor zehn- oder zwanzigtausend Jahren stattgefunden haben mochten?
»Zwei Auserwählte«, murmelte er. »Gerret also auch…«
»Ja«, sagte Saris leise. »Es schockierte mich. Mir blieb nichts anderes übrig, als euch beiden den Weg zu zeigen. Ich konnte nicht anders. Ihr mußtet es unter euch ausmachen. Ich hoffte, daß du es sein würdest, der zurückkam.«
»Aber wir kamen beide zurück…?«
»Ich habe nur dich erlebt. Gerret nahm einen anderen Weg. Ich wußte, daß er noch lebte und versuchte, dich zu schützen. Bisher ist mir das gelungen.«
»Aber wie?« entfuhr es Zamorra.
»Mit dem Bann, den ich sprach. Llewellyn-Magie kann mächtig sein. Vermutlich beherrsche ich längst nicht mehr all das, was meine früheren Inkarnationen konnten, aber wie’s aussieht, reichte es noch aus. Jetzt mußt du dir selbst helfen.«
»Was ist damals geschehen?« fragte Zamorra leise. »Hilf mir, Bryont. Was hat sich an der Quelle wirklich abgespielt?«
»Das kannst nur du wissen - und Torre Gerret, oder wie immer er heißen mag.«
Das klang absolut endgültig. Zamorra spürte, daß der Lord ihm dazu nicht mehr sagen konnte.
»Du sagtest, du hättest mich als Auserwählten erkannt«, sagte er. »Sind dir die Chibb ein Begriff?«
»Die silberhäutigen Außerirdischen? Du hast von ihnen erzählt«, sagte Saris.
»Auch sie nannten mich den ›Auserwählten‹.«
Saris lächelte dünn.
»Dann weißt du spätestens jetzt, aus welchem Grund«, erwiderte er.
***
Vergangenheit…
Zamorra sah die beiden Männer an. »Was soll das heißen, Bryont?« fragte er schroff. »Das gleiche Potential, uns beide zur Quelle des Lebens führen…? Was verbindet mich mit diesem Mann? Er machte schon vor seinem Attentat an der Brücke in Cluanie gewisse Andeutungen.«
Torre Gerret - oder wie immer er wirklich heißen mochte - grinste.
»Nun, es bedeutet schlicht und ergreifend, daß ich genötigt bin, euch beiden den Weg zur Quelle zu zeigen«, sagte der Lord unbehaglich. »Mir bleibt keine andere Wahl.«
»Wer nötigt dich? Gerret?«
Saris schüttelte den Kopf. »Gesetzmäßigkeiten, auf die wir alle drei keinen Einfluß haben. Nicht einmal Merlin könnte etwas daran ändern. Eine weit größere Macht hat ihre Hände im Spiel. Aber ich kann dazu hier und jetzt nicht mehr sagen. Ihr müßt euch beide damit abfinden, daß ihr es unter euch abzumachen habt. Ihr müßt euch den Prüfungen stellen. Dann wird sich zeigen, wer die Langlebigkeit erreicht. Nur einer von euch beiden kann es schaffen.«
»Und der andere?«
Saris zuckte mit den Schultern. »Es kann nur einen geben.«
Torre
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