0501 - Die Mord-Clique
wiederholte seine Frau Mable, streckte einen Arm aus und zeigte mit der Fingerspitze auf die Detektivin. »Wir haben sie geholt. Sie wird die letzte Barriere durchbrechen. Das Hindernis, das die Geister noch hält.«
Ihre Stimme verklang.
Scharfes Atmen erfüllte den Raum, doch bei Jane Collins tat sich nichts. Sie hockte unbeweglich auf dem Thron und versuchte, an etwas anderes zu denken.
An Flucht zum Beispiel.
Leider gelang ihr dies nicht. Sosehr sie sich auch bemühte, ihr Gehirn blieb leer. Da war nichts mehr, aber Jane dachte dabei an den Trank, der ihr verabreicht worden war.
Er mußte dafür gesorgt haben, daß sie es nicht mehr schaffte, die Gedanken zu ordnen.
Und so war es Jane nur möglich, sich auf die Vorgänge innerhalb des Kellers zu konzentrieren.
»Ruf die Geister!« flüsterten ihr mehrere Stimmen zu. »Wir wissen, daß du es kannst. Los, ruf die Geister! Sie sollen erscheinen, sie werden erscheinen. Das Blut-Labyrinth ist nicht umsonst geschaffen worden. Wir haben dafür Zeugen aus der Welt schaffen müssen, der Erfolg ist uns sicher. Die Geister…«
Jane tat nichts.
Sie starrte nur aus weit geöffneten Augen die fünf alten Menschen an.
Die standen so nahe beieinander, daß sie, wenn sie die Arme ausstreckten, sich gegenseitig berühren konnten. Sekunden später hatten sie eine menschliche Kette gebildet.
»Noch einmal!« sagte Godfrey. »Laßt es uns gemeinsam versuchen. Ein jeder möge von seiner seelischen Kraft geben, was er besitzt. Ich bitte euch inständig darum.«
Keiner von ihnen war dagegen.
Die Gesichter der Leute veränderten sich. Jane sah ihnen die Spannung und die Konzentration an. Plötzlich drang ein gemeinsames Stöhnen über ihre Lippen.
Geschafft?
Gleichzeitig spürte Jane den Druck. Er umfaßte ihren Kopf wie ein innerlicher Helm. Sie schaffte es nicht, sich noch so zu halten, wie sie gesessen hatte. Unwillkürlich umklammerte sie mit beiden Händen die Thronlehnen.
Ihr Blick fiel auf die Kreise.
Bewegten sie sich?
Es war kein Irrtum, denn auch die Anwesenden hatten erkannt, daß sich etwas tat.
In das Tierblut geriet Leben!
Es verschmierte, es köchelte, warf erste Blasen, und plötzlich stieg auch Rauch in die Höhe.
Grauroter, ätzender Qualm, während sich die aufgezeichneten Kreise weiterhin drehten, so daß tatsächlich ein Trichter entstand und der Betrachter den Eindruck haben konnte, als würde dieser Trichter zum Mittelpunkt der Erde führen.
Spitz stach er in die Tiefe, wo eigentlich keine war. Doch an eine optische Täuschung wollte die Detektivin nicht glauben. Sie rechnete damit, das Tor zu einer anderen Welt aufgestoßen zu haben, denn auch ihr Seelenleben hatte sich verändert.
In Jane Collins steckte eine große Unruhe. Sie spürte den Kontakt mit einer anderen Welt, vernahm geisterhafte, singende Stimmen, die durch ihr Hirn schallten.
Man wollte etwas von ihr…
Jane beugte sich noch weiter vor. Das Labyrinth zog sie wie magisch an. Noch immer drehten sich die Blutkreise. Der letzte bildete den Eingang in die grauenvolle Tiefe der Geisterwelt.
»Sie kommen…«
Diana und Mable hatten die Geister zuerst gespürt. Sie wiederholten die Sätze mehrere Male, und auch die Männer stimmten mit ein.
Jane sagte nichts. Auf ihrem Rücken lastete ein schwerer Druck.
Der geheimnisvolle Gesang aus dem fernen Geisterreich ging ihr nicht mehr aus dem Kopf.
Schaffte sie es tatsächlich, die Geister in die sichtbare Welt zu holen?
Und es geschah!
Urplötzlich brauste es aus der Tiefe des Blut-Labyrinths. Ein gewaltiger Orkan, mächtig und laut, dennoch ohne Wind, ein Sturm aus Stimmen und gepeinigten Seelen.
Sie waren da – und sie zeigten sich.
Eigentlich hätten die fünf Personen aufjubeln müssen. Sie aber reagierten nicht.
Kein flüsternder Kommentar drang über ihre Lippen. Das Staunen und die Überraschung hatte sie stumm gemacht. Jetzt waren sie am Ziel ihrer Wünsche angelangt.
Jane Collins saß im Zentrum. Sie fühlte sich gepackt von dem, was aus der Tiefe strömte. Es waren gewaltige Hände, unsichtbare Klauen, die sie umtanzten, an ihren Haaren zerrten, sie schüttelten, so daß Jane den Eindruck hatte, sie würde jeden Augenblick abheben. Den Mund hielt sie halb geöffnet. Stoßweise drang der Atem über ihre Lippen. Schweiß glitzerte auf der Stirn. Sie versuchte, an etwas anderes zu denken, doch es war nicht möglich.
Wilde Stimmen und rauhes Lachen erfüllte ihren Kopf. Das blonde Haar stellte sich aufrecht. Die langen
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