0502 - Das Schwert des Vampirs
seinen Herrn der Burg verwiesen hatte, würde es sicher eine Möglichkeit geben.
Also nahm der Gnom das rostige Schwert und eilte so schnell seine kurzen Beine ihn trugen, durch die Abenddämmerung nach Llewellyn-Castle hinüber. Immerhin hatte er vorsichtshalber sogar noch daran gedacht, eine Taschenlampe mitzunehmen, eines dieser unbegreiflichen Wunderwerke der Zukunft, das Licht aussandte, ohne eine offene Flamme zu besitzen, und das zu entfachen es nicht mehr als eines einfachen Knopfdrückes bedurfte. Der Gnom wußte, daß er diese wundervollen Errungenschaften arg vermissen würde, wenn es ihm gelang, den Rückweg in seine Gegenwart zu finden. Man gewöhnt sich zu schnell an alles, was einfach war und das Leben sinnvoll erleichterte… aber vielleicht gelang es ihm ja dann auch, ein paar dieser technischen Errungenschaften aus der Zukunft mit in seine Zeit zu nehmen. Nur Fremden zeigen durfte er sie dort natürlich nicht. Er mußte die Leute ja nicht mit der Nase darauf stoßen, daß er ein Zauberer war…
***
Roy Thurso parkte seinen alten Suzuki LJ vor Ulluquarts Pub ein. Es knirschte, weil er etwas zu forsch parkte und mit der vorderen Stoßstange seines kleinen Allradlers die Hauswand berührte. Verdrossen sprang er auf und stellte fest, daß sein Japaner das verkraftet hatte und nur der Hauswand ein handtellergroßes Stück vom Rauhputz fehlte, aber das ließ sich unter der Hand regeln. Wesentlich saurer war Thurso darüber, daß er Überstunden hatte machen müssen. Plötzlich hatte »seine« Firma in Invershield für etwa zwei Monate doppeltes Auftragsvolumen, das irgendwie bewältigt werden mußte - und wenn jeder Mann, der dazu willens war, pro Tag drei Überstunden abzurackern hatte! Thurso war dazu nicht unbedingt willens, aber was blieb ihm anderes übrig, als laut »Ja« zu schreien, wenn er nicht nach Ablauf der zwei Monate wieder auf der Liste der möglichen Entlassungskandidaten stehen wollte?
Entsprechend schlecht gelaunt war er.
Eine hübsche junge Frau mit silberblondem Haar lächelte ihn auffordernd an. Das konnte seine Stimmung auch nicht bessern. Warum die gutgebaute Silberfee ausgerechnet ihn anstrahlte, obgleich es im Pub schon von Männern wimmelte, begriff er nicht. Aber wenn er sich mit ihr einließ - und das sprach sich in Cluanie schneller herum als die nächste Regierungserklärung - dann machte ihm seine Elly zu recht die Hölle heiß. Und mit Elly war er seit zehn Jahren so glücklich verheiratet, daß er andere Frauen nicht mal im Traum brauchte.
Ulluquart stellte ihm den Whisky vor die Nase. »Hören eure Überstunden auch mal wieder auf, Roy? Du schaust drein, als wär dir Rhu Mhôrven als Gespenst begegnet!« Damit spielte er auf ein Ereignis im letzten Winter an. Da war Roy Thurso mit an den Geschehnissen beteiligt gewesen, in deren Folge der französische Geisterjäger Zamorra den Hexer-Druiden Rhu Mhôrven endlich ins Grab gebracht hatte, nachdem er scheinbar jahrhundertelang nicht hatte sterben können. Dafür hatte Mhôrven, ehe er zur Strecke gebracht wurde, noch tagelang in Thursos Gedankenwelt herumgespukt. [4]
Thurso knallte das Whiskyglas auf den Tisch, daß der Inhalt hochschwappte. »Keith, wenn du den verdammten Hexer wieder ins Spiel bringst, male ich dir keine Etiketten für deinen Schwarzgebrannten mehr!« Das war eine Drohung, vor der Ulluquart kapitulierte. Thursos handgemalte Etiketten auf Ulluquarts Whiskyflaschen waren der Verkaufsrenner für alles, was nicht an der Theke ausgeschenkt, sondern flaschenweise an Privat verkauft wurde.
»Sie sind Maler, Sir?« schob sich Lady Silberblond von der Seite an ihn heran. »Das finde ich toll. Ich kann nämlich selbst überhaupt nicht malen, aber…«
Schiange! dachte Thurso, ohne zu ahnen, wie nahe er damit der Wahrheit kam. Weiche von mir! Laut sagte er: »Sorry, Lady, Maler bin ich nicht, aber ein Mensch, der nach Feierabend gern in Ruhe seinen Whisky trinken und dann nach Hause zu seiner Frau gehen möchte!«
»Oh, schade, daß Sie sich nicht mit mir unterhalten möchten«, sagte die Silberfee. »Ich wollte mich Ihnen ja wirklich nicht aufdrängen…«
Sie konnte keine Schottin sein. Überhaupt keine Britin, denn selbst die Engländer wußten, daß es nicht gut war, einem Schotten im Pub ein Gespräch aufzwingen zu wollen. Thurso tat das, was jeder Schotte in dieser Situation tat: er wurde nicht grob, sondern schaltete seine Gehörgänge auf Durchzug, wandte der Lady den Rücken zu und schlich mit
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