0507 - Die Lady mit dem Schädeltick
umdrehte und durch eine Tür verschwand.
Mit unbewegtem Gesicht schritt sie den langen Flur entlang und blieb vor einer prächtig verzierten Doppeltür stehen, die ein junger Diener, der ihre Schritte vernommen hatte, von innen her aufriß und sich verbeugte, als Madeline ihn passierte.
Sie betrat den mit kostbaren Möbeln eingerichteten Raum und streckte sich auf einer Chaiselongue aus. Dort blieb sie zunächst liegen und wartete ab. Madeline wußte, daß diese Hinrichtung noch ein Nachspiel haben würde. Sie selbst hatte es mit dem Henker besprochen.
Er ließ sich Zeit, und Madeline überbrückte die Stunde, in dem sie den Rotwein trank. Sie schenkte ihn aus der kostbaren Kristall-Karaffe in das ebenfalls kostbare Glas und nippte an der blutroten Flüssigkeit. Sie liebte diesen französischen Bordeaux. Er war gehaltvoll und kräftig. Manchmal lag er wie Samt auf der Zunge.
Der Wein benebelte sie nicht, er entspannte sie nur. Sie dachte an die Szene auf dem Hof. Dabei glitt ein Lächeln über ihre Lippen. Die Männer hatten es sich selbst zuzuschreiben, sie hätten vorher nur zu tun brauchen, was sie verlangt hatte.
Es war ihr Pech, daß sie sich geweigert hatten.
Dann klopfte es.
»Ja bitte…« Madelines Stimme klang etwas schrill. Sie blieb auch nicht sitzen, stand auf und spürte den leichten Schwindel, der sie überkam. Vielleicht war der Wein doch ein wenig zu kräftig gewesen.
Der Diener öffnete dem Henker die Tür.
»Du kommst spät!« stellte sie fest.
Der Henker hob die Schultern. »Es dauerte etwas, bis ich alles zusammen hatte.«
»Ist gut.«
Er kam weiter vor und stellte den Gegenstand, den er mit beiden Händen festgehalten hatte, auf dem Boden ab.
Es war ein sehr großer Weidenkorb, nicht sehr dicht geflochten, so daß aus den Lücken etwas hervorrinnen konnte.
Eine dicke, rote Flüssigkeit.
Blut…
Über den Korb hatte der Henker ein schwarzes Tuch gelegt.
Fragend schaute er Madeline Brent an.
»Du kannst gehen«, sagte diese.
»Ja, danke, Herrin!«
Linkisch verbeugte sich der Henker und ging rückwärts zur Tür.
Leise drückte er sie von außen zu und ließ die schöne Madeline allein. Deren Nasenflügel vibrierten, als sie tief Luft holte. Weit brauchte sie nicht zu gehen, um den Korb zu erreichen. Sie blieb davor stehen und holte noch einmal tief Luft, während sie bereits mit der rechten Hand nach einem Zipfel des Tuchs griff und dieses dann mit einer heftigen Bewegung fortzog.
Sie starrte auf die vier Trophäen!
Dann lachte sie.
Es war ein Siegerlachen. Schaurig, grausam und hämisch. Sie hatte endlich ihre Beute bekommen und konnte darangehen, den großen Plan zu verwirklichen.
Die Nachwelt würde sich wundern.
Das Lachen drang auch durch die Tür. Der Diener draußen hörte es, ebenso der Henker, der das alles nicht verstand und fast fluchtartig die nähere Umgebung dieser Frau verließ. Gegen sie war er ein Waisenknabe…
***
In den letzten Tagen war das Wetter ruhig gewesen, so daß die Mannschaft um Keith Barney es riskieren konnte, endlich hinauszufahren und das Meer abzusuchen.
Barney war im staatlichen Auftrag unterwegs. Es galt, ein bestimmtes Schiffswrack zu heben, daß vor langer Zeit zwischen England und Frankreich gesunken war.
Er und seine Männer hatten sich nach alten Aufzeichnungen gerichtet, die Stelle bestimmt und mit den modernsten Geräten der Technik ausgelotet. Jetzt waren sie hundertprozentig sicher, daß sie genau über der Stelle standen, wo das Wrack auf dem Meeresgrund lag.
Roger, sein bester Taucher, betrat die kleine Brücke. Er war ein drahtiger Mann mit dunklen Haaren und einem sonnenbraunen Gesicht, das jetzt allerdings einen besorgten Ausdruck zeigte. »Wir sollten uns beeilen, Keith, das Wetter kann umschlagen.«
Barney nickte. »Das Gefühl habe ich auch.«
»Sollen wir tauchen?«
»Ja, wir versuchen es. Ist der Hebekran klar?«
»Natürlich.«
»Dann macht euch bereit!«
»Ich sage dir noch Bescheid, Keith.«
»Sicher.«
Barney blieb allein zurück. Hoffentlich fanden sie das Schiff. Engländer und Franzosen vermuteten wertvolle Gegenstände an Bord, vor allen Dingen Münzen und Edelsteine, die damals über den großen Teich in das ferne Amerika hatten geschafft werden sollen.
Die Fundstücke mußten zwar abgegeben werden, aber Barney und seine Mannschaft waren prozentual beteiligt. Für sie blieb noch immer ein gutes Salär übrig, und die Kosten für die Bergung hatten die Regierungen sowieso übernommen.
So
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