0507 - Die Lady mit dem Schädeltick
besser kümmern können, hieß es.«
»Na ja, im Prinzip stimmt das schon. Wo können wir denn die Frau besichtigen?«
»Unsere Firma besitzt Lagerhäuser, die auch gekühlt sind. Dort haben wir die Kiste hingestellt.«
»Das ist doch was.« Ich schaute Sir James an. »Haben Sie noch Fragen, oder können wir der Lady einen Besuch abstatten?«
»Sie können, John.«
»Gut.«
Auch Suko ging mit. »Könnte sie ein Zombie sein?« fragte er draußen im Flur leise.
Keith Barney hatte gute Ohren. »Zombie, sagten Sie. Gibt es denn so etwas in Wirklichkeit?«
»Ja, leider«, erwiderte Suko und ließ uns als erste in den Lift treten.
***
Die Kühlbaracke der Firma Barney lag dort, wo sie auch hingehörte.
Am Hafen. Hier war die Gegend grau und sah noch schlimmer aus, wenn dunkle Wolken den Himmel bedeckten, wie an diesem Tag.
Normalerweise wurden die Räume nicht bewacht, falls nicht etwas Besonderes dort lagerte. In diesem Fall aber hatte der Chef einen Aufpasser hinterlassen.
Der junge Mann gehörte auch zur Besatzung. Er stammte aus Kenia, und seine Haut war so braun wie Schokolade.
Die Halle war als Fertigbau errichtet worden. Das große Tor besaß zwei Flügel, die der Farbige verschlossen hatte. Sein Name war Ngono, und er gehörte zu den Menschen, die sich in London wohler fühlten als in ihrer Heimat. Und er hatte auch Arbeit bekommen.
Ngono gehörte zu den Leuten, auf die man sich verlassen konnte.
Wer ihm eine Aufgabe übertrug, der war einfach sicher, daß er sie auch durchführte.
Wie jetzt, wo er Anweisung bekommen hatte, die Halle nicht zu verlassen. Sie war praktisch in zwei Hälften geteilt worden. Die eine diente als normales Lager und Werkstätte. Zu reparieren war immer etwas, auch jetzt lagen große Pumpen, in zahlreiche Teile zerlegt, auf dem Betonboden.
Die zweite Hälfte der Halle bestand aus mehreren Räumen, wobei einer als Frischhalte- oder Kühlraum diente. Und in diesen Raum war das makabre Fundstück gebracht worden.
Die Mannschaft wußte Bescheid. Sie alle hatten die schöne Frau gesehen, die nicht verwest war. Ihre Kommentare waren nur spärlich geflossen, doch Ngono war sicher, daß es sich bei dieser nicht verwesten Frau um einen bösen Zauber handelte.
Deshalb hatte er auch Furcht, sie zu bewachen und praktisch mit ihr allein zu sein.
Sein Chef war zur Polizei gefahren. Er wollte noch im Laufe des Vormittags zurück sein. Darauf hoffte Ngono, der des öfteren einen skeptischen Blick auf die grau gestrichene Tür des Kühlraums warf.
Die Halle besaß genügend Größe, um eine kleine Bude abteilen zu können. Sie diente den Männern auch als Pausenraum, und Ngono hatte hier seinen Platz gefunden.
Durch die Fensterscheibe schaute er in die Halle und dabei immer wieder auf die Tür des Kühlhauses. Dahinter lag sie. Eine wunderschöne Frau, der selbst der Tod nichts von ihrer Schönheit hatte entreißen können. Ngono hatte sie ebenso angestarrt wie seine hellhäutigen Kollegen, doch in ihm war die Furcht hochgestiegen.
Schönheit und Zauber gehören oft zusammen, so hatte sein Onkel in Kenia einmal gesagt. Der mußte es wissen, er war viel im Land herumgekommen und verstand sich auch noch mit den alten Medizinmännern.
Ngono hielt es in der Bude nicht mehr aus. Er kam sich vor wie eingerostet. Deshalb stand er auf, reckte seine müden Knochen und wischte auch durch das Gesicht. Mit den Fingerspitzen knetete er seine Wangen, rieb die Augen und drückte die Tür des Glasbaus auf. In der Halle herrschte fast immer der gleiche Geruch nach Öl und Schmierfetten sowie nach Metall. Den Boden hatten sie am letzten Abend noch gefegt. An manchen Stellen war er richtig blank.
Die Luft schien schwerer zu sein als sonst. Sie besaß einen hohen Anteil an Feuchtigkeit. Selbst Ngono gefiel das nicht, obwohl er ein noch schlimmeres Klima aus Kenia her kannte, aber das lag schon lange zurück.
Er durchquerte die Halle in der Längsrichtung und lauschte seinen eigenen Schritten nach. Er blickte auf die Uhr und dachte daran, daß sein Chef eigentlich bald zurückkehren mußte.
Es war schon Zufall, daß er genau vor der Tür zum Kühlraum stehenblieb. Die graue Fläche bestand aus Metall. Sie schloß fugendicht. Öffnen ließ sie sich von innen und außen mit Hilfe eines schräg stehenden Hebels. Unter dem Hebel befand sich noch ein schmales Schloß.
Dahinter also lag sie.
Eine schöne Frau, eine Schlafende und doch seit über zweihundert Jahren tot.
Ngono schüttelte den Kopf und
Weitere Kostenlose Bücher