0507 - Die Lady mit dem Schädeltick
fünfzehn Minuten später hatte sie es gefunden. Zielhafen war Bristol…
***
Keith Barney fuhr einen Geländewagen, der auch Suko und mir genügend Platz bot, obwohl die hintere Ladefläche voller Kisten mit Ersatzteilen stand, wie uns der ehemalige Taucher versichert hatte.
London erstickte in der trüben Suppe. Das war kein richtiger Nebel, mehr ein Dunst. Wenn man genau hinschaute, zeichnete sich hinter der grauen Wolkenbank ein hellerer Ball ab, die Sonne.
Barney war sehr einsilbig. Er hatte uns nur erklärt, daß wir zum Hafen fahren würden.
In dieser Gegend des Londoner Ostens sah es noch schlimmer aus.
Zwar ging man allmählich daran, auch diese Stadtteile zu sanieren oder neu aufzubauen, aber man bekam die graue Trübnis einfach nicht weg. Hafen blieb Hafen.
Die Dreh- und Hebekräne sahen aus wie Skelette aus Stahl. Sie stachen in den Dunst, wurden bewegt und gaben manchmal ein Quietschen von sich, als wollten sie protestieren.
Über die moderne, futuristisch anmutende Industrielandschaft hinweg segelten Möwen auf der Suche nach Nahrung.
Wir mußten bis zu den Kais fahren, oft über schlechtes Pflaster.
Wir überquerten Bahngleise, ließen Güterzüge vorbei und auch hochbeladene Trucks.
Daß hier gearbeitet wurde, sah ein Blinder.
Erst später gerieten wir in den gewaltigen Bereich der Lagerhallen.
Einige von ihnen sahen schon aus wie Hochhäuser mit ihren grauen, oft fensterlosen Fassaden und den flachen Dächern. Die Namen der Firmen prangten auf gewaltigen Schildern an den Wänden.
Die Halle, die Barney gemietet hatte, lag in einem neu errichteten Gebiet. Ein reines Industriegelände, etwas weiter von den großen Verladepiers entfernt.
Hier bestanden die Bauten meist aus Fertigteilen, auch Barneys Halle gehörte dazu.
Vor der großen Eingangstür rollte der Wagen langsam aus. Suko und ich stiegen als erste aus.
Hier war die Luft etwas frischer, auch wenn manchmal ein fauliger Gestank hindurchwehte.
»Ich habe einen Mann als Wache zurückgelassen«, informierte uns Keith Barney.
»Für wen?« fragte Suko. »Für die Leiche?«
»Auch.«
»Meinen Sie, die würde Ihnen weglaufen?«
Keith schüttelte den Kopf. »Wissen Sie, Inspektor, ich meine gar nichts mehr.« Er blieb vor der Halle stehen. »Ich bin nur froh, daß Sie die richtige Anlauf-Adresse für mich waren und ich eine Sorge abgeben kann. Es bleiben noch genügend andere übrig. Die wirtschaftliche Lage läßt zu wünschen übrig. Ich muß mich ganz schön anstrengen, um Aufträge hereinzuholen, das kann ich Ihnen sagen.«
Die Eingangstür hatte er nicht abgeschlossen. Durch das Umlegen eines Hebels konnte er sie aufziehen.
Keith Barney betrat die Halle vor uns. Er war nicht einmal vier Schritte gegangen, als er so heftig stehenblieb, daß ich fast gegen seinen Rücken gelaufen wäre.
»Das… das darf doch nicht wahr sein!« keuchte er. »Mein Gott, Ngo-no!« Er lief mit schwankenden Schritten vor und gab Suko und mir das Sichtfeld frei.
Wir erkannten auf einen Blick, daß Barneys Mitarbeiter nicht mehr lebte. Es war rücklings in eine Scheibe gefallen. Eine Scherbe, lanzenspitz, hatte ihn am Hals erwischt und getötet.
Rechts von uns stand eine Tür weit offen. Kälte drang aus dem Loch. Das mußte der Kühlraum sein.
Da sich Barney um seinen Mitarbeiter kümmerte, lief ich auf die Tür zu.
Der Raum war leer, bis auf die Kiste, von der Keith Barney bereits gesprochen hatte.
Ich trat in die Kälte und sah meine Befürchtungen bestätigt. Es gab keine Leiche mehr.
Langsam ging ich zurück. Barney stand mit aschgrauem Gesicht neben Suko vor der zerstörten Scheibe. »Er… er ist tot!« flüsterte er.
»Es hat ihn erwischt.«
»Und die Leiche ist verschwunden.«
Barney reagierte nicht darauf. Er wischte über sein Gesicht, dann starrte er mich an. »Was haben Sie gesagt?«
Ich wiederholte den Satz.
»Aber das ist doch nicht wahr. Wie kann eine Tote denn so ohne weiteres verschwinden? Jemand muß sie herausgeholt haben. Ich… ich …«
»Vielleicht war die Leiche gar keine«, sagte Suko.
»Wie?«
»Ein Zombie!« präzisierte der Inspektor. »Sie muß einfach eine lebende Tote gewesen sein.«
Barney schüttelte den Kopf. »Daß es so etwas tatsächlich gibt, damit hätte ich nie gerechnet.«
»Zumindest gehen wir davon aus.« Dann schränkte ich ein. »Es ist auch möglich, daß es einen Helfer gegeben hat, der die Leiche aus der Kühlkammer holte.«
»Meinen Sie?«
»Möglich ist alles.«
»Und wer sollte
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