0507 - Die Lady mit dem Schädeltick
blieb auch noch auf den Schultern, dafür aber vernahm ich ein dumpfes Geräusch und danach einen Fall, als ein schwerer Körper auf den Boden schlug.
Auch ich lag am Boden, hatte mich herumgewälzt, um in den Raum schauen zu können und hatte plötzlich das Gefühl, im Kino zu sitzen und einen Film zu erleben.
Es war tatsächlich so.
Vor mir lag mein Henker. Den Griff des Schwertes hielt er auch jetzt noch fest.
Aber neben ihm stand ein junges, dunkelhaariges Geschöpf in Dienstmädchenkleidung, hielt mit beiden Händen eine schwere Vase fest, die sie ihrem Brötchengeber auf den Schädel gedonnert hatte.
Damit stand für mich fest, um wen es sich bei diesem Henker handelte.
Sir Lucius Brent war in die Fänge dieses weiblichen Zombies geraten und zu deren Diener geworden.
Auch das Mädchen stand unter Schock. Es sprach wie ein Roboter, so automatenhaft. »Ich… ich konnte nicht anders. Er hat mich nicht kommen gehört. Ich sah und griff zur Vase …«
Ich erhob mich langsam, um das Mädchen nicht zu erschrecken.
»Danke«, sagte ich. »Sie haben mir das Leben gerettet.«
Ein Lächeln umspielte ihre Lippen. »Ja, aber ich…«
Ohne daß sie sich rührte, nahm ich die Vase aus der Hand, die beim Schlag nicht einmal einen Sprung bekommen hatte, und stellte sie auf einem Tisch ab.
Dann kümmerte ich mich um Sir Lucius Brent. Der Treffer hatte ihn am Hinterkopf erwischt. Dort war die Haut auch unter den Haaren abgeplatzt. Eine Beule hatte sich gebildet. Vielleicht würde er eine Gehirnerschütterung zurückbehalten, zumindest aber starke Kopfschmerzen haben. Wie dem auch sei, er war zunächst außer Gefecht.
Aber Madeline lebte noch.
Ich wandte mich an das Mädchen. »Wie heißen Sie?«
»Claudia.«
»Gut Claudia, ich bin John. Sie wissen ja, daß der Fall noch nicht gelöst ist. Madeline.«
Das Mädchen starrte mich an. »Ja, ich habe sie gehört.«
»Wo?«
»Hier im Haus. Sie… sie hat sich mit Sir Lucius unterhalten.«
»Worüber?«
»Das konnte ich nicht verstehen. Wenigstens nicht alles, Sie will wieder die alten, grausamen Zeiten aufleben lassen. Heute schon, wo die vielen Gäste da sind.«
Ich wollte noch mehr fragen. Durch die zerbrochene Scheibe drang der Lärm zu mir hoch. Rasch trat ich wieder ans Fenster und beugte mich diesmal weiter hinaus.
Es war inzwischen dunkler geworden. Die Köpfe konnte ich nur schwach erkennen, aber in der Tiefe, wo das Fest ablief, hatte sich etwas verändert.
Dort huschten lange Scheinwerferbahnen über die versammelten Gäste und auch den Rasen. Die typischen Geräusche langsam fahrender Motorräder vernahm ich ebenfalls.
Da kam eine Horde.
Ich zählte schnell nach und kam auf sechs Lichtlanzen, die durch die Dunkelheit stießen.
Der Magen wurde mir eng. Wenn ich jetzt unten gewesen wäre, hätte ich sicherlich eingegriffen, denn ein Rockerbesuch hatte zu einem Unglück noch gefehlt.
Zum Glück befanden sich Suko und Bill in der Nähe. Sie mußten etwas unternehmen.
»Was ist denn los?« fragte mich Claudia, als ich mich wieder umgedreht hatte.
»Da sind Rocker gekommen.«
»Himmel.« Sie erschrak heftig. »Dann befindet sich bestimmt Guido dabei.«
»Wer ist das?«
»Der Neffe der Brents. Das schwarze Schaf, ein Aussteiger im negativen Sinne.«
Ich wußte ja Bescheid. Man hatte uns also in der Gaststätte nicht die Unwahrheit gesagt.
Das spielte für mich jetzt keine Rolle mehr. Wichtig war, daß wir die untote Madeline zu fassen bekamen. »Wo kann sie sich befinden?« erkundigte ich mich bei Claudia.
»Ich habe keine Ahnung. Aber sie läuft bestimmt durch das Haus. Es ist ja groß genug.«
»Zu groß.«
»Wollen Sie diese Person suchen?«
»Was bleibt mir anderes übrig?«
»Und was ist mit mir? Wo soll ich hin?«
»Sie könnten sich verstecken.«
Claudia wollte nicht. »Nein, wenn sie sich im Haus befindet, wird sie mich finden.«
»Dann laufen Sie nach draußen.«
»Gut, das mache ich.« Sie ging zwar zur Tür, zögerte dort jedoch und hob die Schultern. »Wollen Sie nicht auch…?«
»Okay, ich bleibe erst mal bei Ihnen.« Ich schob Claudia zur Seite und betrat den breiten Gang. Daß sich Madeline nicht hier oben aufhalten würde, damit hatte ich gerechnet, für diese Dinge besaß sie ja ihren Henker, den Hausherrn.
Claudia blieb dicht hinter mir. Sie atmete schnell und hektisch, ein Zeichen ihrer Angst.
Auch ich fühlte mich nicht gerade gut. Zwar war ich körperlich fit, aber wenn ich daran dachte, daß es ja zwei
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