0508 - Sparks hetzt den Werwolf
über den Werwolf und die angebliche Mordserie darin…
***
Zamorra hatte die ausliegenden Zeitungen durchgeblättert und schnell wieder beiseite gelegt. Der Mirror war ohnehin nicht dabei, weil man wohl davon ausging, daß in einem Hotel dieser Kategorie, in dem das einfachste Zimmer schon 150 Pfund kostete, niemand solch ein Revolverblatt las. Und den anderen Gazetten war nichts Berauschendes zu entnehmen; sie hatten das Thema nicht aufgegriffen. Dafür machte das Königshaus wieder einmal Schlagzeilen. Aber an dem war Zamorra herzlich wenig interessiert.
Nach einer Weile verließ der Chief Inspector den Lift wieder, begleitet von Christopher Sparks. Zamorra erkannte ihn sofort. Kurzgeschnittenes blondes Haar, ein etwas hölzern wirkendes Gesicht, die unvermeidliche Pfeife zwischen den Lippen, dunkle Hose, weißes Hemd - wie immer. Sparks veränderte sich nicht. Er sah jetzt nur etwas lebhafter aus als früher, etwas lebendiger. Er entdeckte Zamorra, stutzte kurz, hob grüßend die Hand, sagte etwas zu dem Chief Inspector und verabschiedete diesen dann hastig, um auf Zamorra zuzusteuern. Zamorra sah, daß der Polizist an der Glastür stehenblieb und herübersah. Dabei gab er sich gar keine Mühe, unauffällig zu wirken.
Zamorra erhob sich und reichte dem Königlichen Geisterjäger die Hand. »Was machst du in einem, so teuren Schuppen, Chris? Und was will die Polizei von dir?«
»Ach, das weißt du auch schon?« Sparks sah zur Glastür, entdeckte den immer noch dort stehenden Beamten und sah ihn dermaßen durchdringend an, daß der Chief Inspector es nun doch vorzog, seiner Neugierde einen Riegel vorzuschieben und das Hotel zu verlassen.
»Ich weiß gar nichts«, stellte Zamorra fest. »Sonst müßte ich dich ja nicht fragen, oder?«
Sparks seufzte. »Er glaubt, ich hätte gestern eine Werwölfin aus dem Fenster geworfen. Was habe ich mit Werwölfen zu schaffen, kannst du mir das verraten?«
»Die Story stimmt also«, stellte Zamorra fest. »Es gibt einen Werwolf.«
Sparks legte ihm die Hand auf die Schulter. »Komm mit«, bat er. »Hier gibt es zu viele Ohren. Natürlich gibt es den Werwolf, beziehungsweise die Werwölfin. Nur habe ich sie nicht aus dem Fenster geworfen, sondern sie ist selbst gesprungen. Willst du die Story hören? Wo ist überhaupt Nicole?«
»Einkäufen. Und Othmarsen?«
»Verliebt, verlobt und fern von hier. Nicht mehr im Geschäft, aber das ist wieder eine andere Geschichte, die wir uns für den gemütlichen Teil des Abends aufheben sollten.« Er zog Zamorra mit sich nach draußen zur Terrasse, wo die Freiluftbar bereits geöffnet war. Sparks bestellt zwei Kännchen Kaffee. Im »Crown« verstand man sich immerhin auf dessen schmackhafte Zubereitung und strafte das Vorurteil Lügen, daß Kaffee in England ungenießbar sei - weil die Engländer ihn wie Tee zubereiteten: man lege eine Kaffeebohne in heißes Wasser…
Sie erzählten sich gegenseitig ihr Wissen über das Werwolf-Phänomen. Laut O’Brian hatte es in der vergangenen Nacht abermals einen Mord gegeben, der auf den Werwolf zurückzuführen war. »Der Rundfunk hat bereits darüber berichtet. Aber noch steht es nicht in den Zeitungen. Wie ich O’Brian einschätze, möchte er gern an dieses Biest glauben, traut sich aber nicht. Nun das ist sein Problem. Meins ist, wie ich diese Bestie zur Strecke bringe.«
Zamorra nippte am heißen Kaffee. »He, ich denke, du hast mit Werwölfen nichts am Hut? Dein Job sind doch Gespenster, allenfalls mal ein Dschinn…« Damit spielte er auf ein gemeinsames Abenteuer in Marokko an.
Sparks winkte heftig ab; weil er dabei die Kaffeetasse in der Hand hielt, schwappte etwas über und hinterließ einen winzigen Fleck auf seinem weißen Hemd. Er verdrehte die Augen. »Natürlich«, murmelte er. »Es konnte nicht gutgehen. Sobald du in meiner Nähe bist, Professor, werde ich zum Maler Klecksel. Vielleicht werde ich noch ein paar Flecken mehr aufs Hemd spritzen und es als Kunstwerk ausstellen lassen… Nein, Gay Travis interessiert mich nicht als Werwölfin. Dafür bist eher du zuständig. Ich werde sie mir schnappen, weil sie die Schachpartie manipuliert hat. So etwas macht man nicht, das ist gegen jede Ehre. Man muß verlieren können. Und, Zamorra, dieser Cognac, den ich eigentlich hätte gewinnen müssen… der ist ’ne Sünde wert! Was sage ich, eine? Hundert Sünden!«
Zamorra hob die Brauen. »Mal im Ernst - du bist hinter der Bestie her, weil sie dich bei einer Schachpartie hereingelegt
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