0509 - Die Drachenfrau
auf damit«, sagte Nicole. »Es ist deiner nicht würdig, Julian.«
»Warum vernichtest du diese Landschaft?« wollte Zamorra wissen. »Gib uns endlich eine zufriedenstellende Erklärung für all das hier. Es handelt sich doch um eine deiner vielen Traumwelten, nicht wahr?«
Julian schüttelte den Kopf. »Es sieht so aus, als richtet ihr eure Fragen an die falsche Person«, sagte er. »Achtet auf den Drachen, aber hütet euch, ihn zu erschlagen.«
Im nächsten Moment gab es ihn in der verwelkenden Landschaft nicht mehr. Julian war verschwunden, als wäre er nie da gewesen. Aber der Wind war kälter und schneidender geworden, und der Fäulnisgestank war mittlerweile übelkeiterregend intensiv.
Schwarze Pflanzenreste zerfielen zu Asche, zu Staub, und verwehten in der Kälte. Erste Schneeflocken fielen.
***
George Bell hob die Gürtelschließe vom Boden auf, betrachtete seinen Gürtel und stellte fest, daß die Silberschnalle sich einfach nicht von selbst gelöst haben konnte, weil sowohl das Leder als auch die Nieten unversehrt waren. Also war sein Erlebnis zumindest kein Traum gewesen.
Und Lizette war ebenso verschwunden, wie die beiden Fremden. Ihre Sitze waren leer.
Passagiere starrten ihn neugierig an. Eine Stewardeß tauchte auf. Bell erhob sich rasch. Er ahnte, was auf ihn zukam. Fragen über Fragen! »Mir ist übel«, murmelte er. »Ich muß…« Er hielt sich die Hand vor den Mund und taumelte in Richtung Bordtoilette, um in der kleinen Kabine unterzutauchen.
Er wußte natürlich, daß er sich nicht bis ans Ende aller Tage hier verstecken konnte. Er mußte wieder zurück, und sie würden ihn mit Fragen bombardieren. Die neugierigen Fluggäste konnte er abwimmeln. Aber dem Personal würde er Rede und Antwort stehen müssen. Dabei wußte er doch selbst nicht, was er da erlebt hatte. Wenn es kein Traum war, was dann? Wirklichkeit konnte es niemals gewesen sein!
Er verspürte Druck auf den Trommelfellen, der nach einem Schluckreflex schwand. Das Flugzeug mußte seine Flughöhe in der letzten Minute erheblich verändert haben! Es stieg oder es sank. Angesichts des alptraumhaften Geschehens neigte Bell eher zur zweiten Annahme. Er warf einen Blick auf seine Armbanduhr - natürlich war es für eine Landung noch viel zu früh.
Was geschah mit dem Flugzeug?
Von einem Moment zum anderen wurde es Bell klar. »Wir stürzen ab!« schrie er entsetzt auf.
***
»Es funktioniert nicht«, sagte Nicole. Sie begann zu tänzeln, hielt sich in ständiger Bewegung, um sieh dadurch etwas Wärme zu verschallen. Carboney tat das genaue Gegenteil; sie duckte sich vor dem kalten Wind auf dem Boden zusammen und klapperte bereits mit den Zähnen.
»Was funktioniert nicht?« fragte Zamorra.
»Das Wünschen«, sagte sie. »So wie Bell und Miß Carboney plötzlich keine Gedanken mehr lesen konnten, können wir uns jetzt nichts mehr herbeizaubern. Ich wollte gefütterte Wintermantel für uns alle. Ich hab’ sogar versucht, an Badeanzüge zu denken, falls das Umkehr-Syndrom wieder zuschlägt - oder eure Sachen wegzudenken; pardon. Aber es funktioniert weder so noch andersherum, seit Julian sich wieder entfernt hat.«
Die Schneeflocken fielen jetzt dich ter. Vom Pflanzenbewuchs war nicht einmal mehr der Staub zu sehen. Es gab nur eine öde, tote Mondlandschaft. Nicole trat näher an Zamorra heran. Wenn wir nicht eine Zuschauerin hätten , wüßte ich jetzt eine Möglichkeit wie du mich wärmen könntest, teilte sie ihm telepathisch mit. Aber so…
Er lächelte, und dabei fiel ihm auf, daß der seltsame fremde Zauber zumindest noch teilweise funktionieren mußte. Denn Nicole war zwar telepathisch begabt, aber das erschöpfte sich normalerweise darin, daß sie die Gedanken anderer Menschen auffangen, nicht aber selbst gezielte Botschaften senden konnte. Und ein so guter Telepath war Zamorra selbst auch nicht, daß er in ihrem Bewußtsein hätte lesen können. Ihm gelang das nur unter ganz besonders günstigen Umständen. Die Peters-Zwillinge oder die Silbermond-Druiden waren in beiden Disziplinen - »Empfangen« und »Senden« - wesentlich besser…
Zamorra lächelte. Wir holen das nach, dachte er konzentriert und merkte, wie Nicole die Botschaft aufnahm. So bald wie möglich, gab sie zurück. »Chef, ich habe über diesen Julian nachgedacht.«
Wenn sie »Chef« sagte, war das bitterer Ernst. Was Zamorra auch auffiel, war ihre Formulierung.
über diesen Julian … In dieser Form pflegte sie andere Menschen selten zu
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