0509 - Die Drachenfrau
dazwischen beantworte ich grundsätzlich mit ›ja‹; vielleicht begreifen die Fragesteller irgendwann einmal, daß sie Entscheidungsfragen besser voneinander trennen sollten.«
Lizette starrte ihn konsterniert an.
Unbeirrt von dem Geplänkel griff Nicole den eigentlichen Gesprächsfaden wieder auf. »Ziemlich jung?« überlegte sie. »Da käme Julian in Frage.«
»Julian Peters, der Träumer?«
»Wieso nicht?« gab Nicole zurück. »In einer geträumten Welt beziehungsweise in einer, die durch Julians Träumerei geschaffen wird, wären solche Verrücktheiten wie diese möglich.«
Zamorra schüttelte den Kopf.
»Da bin ich mir nicht ganz sicher«, sagte er. »Ich traue Julian eine Menge zu - aber nicht, daß er mit harmlosen Unbeteiligten seinen Schabernack treibt.«
»Und wenn«, sagte Nicole provozierend und sah dabei Carboney durchdringend an, »diese scheinbar unbeteiligten Personen gar nicht so harmlos sind, sondern Schlüsselpersonen darstellen?«
»Was wollen Sie mir damit unterstellen?« fauchte Carboney.
Nicole winkte ab. »Immer mit der Ruhe. Vielleicht wissen Sie selbst nicht, welche Rolle Sie spielen. Julian jedenfalls ist für mich recht undurchschaubar.«
»Du hältst ihn für gefährlich?« hakte Zamorra ein.
Nicole schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Schön, er war für eine Weile der Fürst der Finsternis. Aber er hat diesen Job von selbst wieder abgelegt. Er spielt. Er ist noch nicht gereift. Himmel, Zamorra, der Junge ist in wenig mehr als einem einzigen Jahr vom Kleinkind zum Erwachsenen geworden. Er experimentiert. Er probiert aus. Er steht auf keiner Seite -weder auf der schwarzen noch auf der weißen.«
»Und niemand weiß, wo er momentan steckt«, murmelte Zamorra. »Vielleicht nicht einmal Angelique Cascal, seine große Liebe…«
»Das brauchst du gar nic ht, so spöttisch zu formulieren«, gab Nicole zurück. »Aber diese Sache hier würde doch zu Julian passen, oder? Vielleicht befinden wir uns in einer seiner Traumwelten!«
Zamorra hob die Schultern. »Ich kann es mir nicht so recht vorstellen«, gab er zu bedenken. »Julian ist zwar noch recht kindlich, hat aber mittlerweile ein enormes Verantwortungsbewußtsein entwickelt. Nicht umsonst hat er doch die Traumwelt erschaffen, in der der Silbermond jetzt existiert.«
»Wissen Sie überhaupt, wovon Sie da reden?« fragte Lizette Carboney. »Können Sie einen harmlosen Durchschnittsmenschen so weit einweihen, daß er beziehungsweise sie mitreden kann?«
Zamorra seufzte. »Die Geschichte ist lang.«
»Zu lang«, behauptete Nicole. »Vielleicht reden wir einmal darüber, wenn wir aus dieser Sache wieder heraus sind. Für unser Problem ist sie vermutlich sowieso nicht relevant, und sie hat auch keinen Einfluß auf das Schicksal Ihres George Bell.«
Lizette gab einen verächtlichen Laut von sich; sie fühlte sich im Augenblick ein wenig auf den Arm genommen, weil Nicole möglicherweise den falschen Ton gewählt hatte. Zamorra hingegen fiel auf, daß sie jetzt, wo ihr George fort war, wesentlich freier agierte. Sie hatte schon eine Weile nicht mehr ihre Kleidung ins Gespräch gebracht, und obgleich sie nur den winzigen Tanga trug, versuchte sie nicht mehr krampfhaft, ihren Körper zu verstecken. Zamorra fragte sich, ob sie zuvor nur ihres Chefs und Geliebten wegen so schamhaft aufgetreten war.
Kaum hatte er sich das überlegt, fiel ihm weiter auf, daß sie auch nicht im Traum daran dachte, errötend den Blick abzuwenden, wenn sie Zamorra sah - immerhin war auch er nach wie vor unbekleidet. Stirnrunzelnd überlegte er, ob er selbst nicht ebenfalls fertigbringen konnte, was Nicole geschafft hatte - und »wünschte« sich einen Lendenschurz oder eine Badehose oder etwas Ähnliches.
Er bekam etwas Ähnliches: einen schwarzen Westenanzug, Sonnenbrille, Hut, Handschuhe - und glich damit jenen ominösen »Männern in Schwarz«, den Robotern der DYNASTIE DER EWIGEN.
Er erhob sich und tastete sich ab. Er konnte die Kleidung, die er an seinem Körper sah, nicht mit den Fingern ertasten - aber als er dann versuchte, die Sonnenbrille abzunehmen und die Handschuhe auszuziehen, gelang ihm das mühelos. Trotzdem fühlte er keinen Kunststoff und kein Leder zwischen den Fingern. Es war wie bei einer Pantomime…
»Spielerei«, stellte Nicole fest, nachdem Zamorra ihr von seiner Feststellung erzählt hatte. Nicole tastete ebenfalls seinen Körper ab. »Ich kann auch nichts spüren«, sagte sie. »Ich kann deinen Anzug nur sehen. Aber
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