0509 - Ein Gehängter kehrt zurück
Sinclair…
***
Manchmal beneide ich meinen Freund Bill Conolly, denn in gewissen Dingen hat er mir einiges voraus.
Zum Beispiel einen Flugschein.
Er hatte die Cessna gechartert und flog sie auch selbst. Immer nach Westen, den Regenwolken entgegen, die glücklicherweise so tief hingen, daß wir sie überfliegen konnten.
Über Cornwall riß die Bewölkung auf, bald war sie ganz verschwunden, die Sonne schien, und der Himmel zeigte eine herbstlich klare Bläue einfach wunderbar.
Das Meer sah sehr klar und grün aus. Land’s Eck, die westliche Ecke Cornwalls und ein Leuchtturm lagen hinter uns. Die nächste Landmasse waren die Isles of Scilly, unser Ziel.
Mit meinem Chef, Sir James, hatte ich keine Probleme gehabt. Ich hätte auch fliegen können, ohne seine Zustimmung einzuholen, aber ich wollte den Dienstweg einhalten.
Bill flog. Er machte einen äußerlich ruhigen Eindruck. Allein ich wußte, daß dies nicht stimmte. Mein Freund war innerlich erregt, auf über 100, das merkte ich an seinen Reaktionen, denn ab und zu zuckten seine Mundwinkel. Oder er preßte die Lippen so fest zusammen, daß sie zwei bläuliche Striche bildeten.
Nadine, die Wölfin, befand sich im hinteren Teil der Cessna. Sie war ruhig und hatte sich die gesamte Zeit über nicht gerührt. Wenn jemand Johnny finden konnte, war sie es.
Leider konnten wir auf Tresco nicht landen. Der einzige Flughafen befand sich auf St. Mary’s, der größten Insel dieser verstreut im Meer liegenden Gruppe.
Um sie anzufliegen, korrigierte Bill den Kurs. Er flog um einige Grade südlicher.
Unsere Sicht konnte man als ausgezeichnet ansehen. Es war einer dieser Tage, die noch einen hohen Himmel hatten. Ein verhältnismäßig warmer Herbsttag. Den Regen hatten wir in England gelassen.
Wolkenformationen zeichneten ihr Bild unter dem Blau des Firmaments.
Bill hatte bereits Kontakt mit dem Flughafen auf St. Mary’s aufgenommen. Es würde bei der Landung keine Schwierigkeiten geben.
Auch die Inseln waren jetzt tief unter uns zu erkennen. Sie waren graugrüne Flecken inmitten des weiten Meeres. An manchen Küsten schimmerten die weißen Brandungswellen.
Bill nickte mir zu.
»Wird alles glatt verlaufen?« fragte ich laut.
»Ja. Die Landung ist kein Problem. Ein wenig Gegenwind, aber was soll’s?« Der Reporter ging schon tiefer. Ich merkte den Verlust an Höhe stärker als in einem normalen Jet. Bill kippte die Zweimotorige der Wasserfläche entgegen. Rechtzeitig genug änderte mein Freund den Kurs und flog St. Mary’s direkt an. Noch wischte unter uns das Wasser hinweg, dann sahen wir Land, eine Betonpiste als Rollfeld. Baracken huschten vorbei, ein winziger Tower, Kontakt.
Wir rollten aus. Das Gesicht meines Freundes entspannte sich etwas, als die Maschine stand.
Ich schlug ihm auf die Schulter. »Du bist gut geflogen, Junge.«
Er winkte ab. »Na ja.«
An zwei verschiedenen Seiten kletterten wir aus der Maschine.
Der Mann, der uns mit zwei Fahnen eingewinkt hatte, rollte den Flaggenstoff zusammen und schritt nach einer kurzen Begrüßung vor uns her.
Auf Inseln ist es meist windig. Besonders dann, wenn sie zu den kleineren gehören wie St. Mary’s. Der Wind war warm. Zudem wehte er aus südlicher Richtung.
In einer Baracke wurden wir vom Chef des Mini-Flughafens empfangen. Telefonisch war er bereits unterrichtet worden. Der Mann erklärte uns, daß ein Boot zur Verfügung stünde.
»Wunderbar«, sagte ich.
»Dann darf ich Sie jetzt zum Harbour Office fahren?«
»Dagegen haben wir nichts.«
Das Hafenbüro war von zwei Mitarbeitern besetzt. Es lag nahe des South Piers, wo auch das Boot für uns bereitlag.
Kartenmaterial hatten wir ebenfalls bekommen. Um Tresco zu erreichen, mußten wir die Westseite dieser Insel umfahren. Auf der Karte schaute ich mir den Kurs an.
»Die See ist ziemlich ruhig. Sie werden keinen Ärger bekommen«, sagte man uns.
»Wo müssen wir anlegen?«
»In der Old Grimsby Bay liegt der Kai. Dort werden Sie dann auch erwartet.«
»Danke.«
Die Fahrt über das Meer und stets in Sichtweite der Küsten glich einem Vergnügen. Selbst Bill taute auf. Nadine, die von den Insulanern zuvor sehr skeptisch beobachtet worden war, lag zusammengerollt am Heck und genoß die herbstlichen Sonnenstrahlen.
Manchmal wirkte das Wasser wie Glas, so klar war es. Wellen dünten wie lange Fahnen auf uns zu und trugen das Boot oft auf die langen Kämme. Manchmal schäumte Gischt über. Wir sahen auch die Fähre, die von Cornwall aus
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