0509 - Ein Gehängter kehrt zurück
Mannes noch nicht hinweggekommen ist.«
»Und ihr Sohn?«
Mrs. Miller hob die Schulter und schaute starr nach vorn. »Dazu kann ich nicht viel sagen. Ich weiß nur, daß sich Johnny und Benny gut verstanden haben. Die hockten stets zusammen.«
»Hat Benny etwas Besonderes an sich gehabt?«
»Wie meinen Sie das denn?«
»Ist er ein normaler Junge?«
»Klar, sicher. Nicht verschlossen, sehr offen. Im Gegensatz zu seiner Mutter.«
»Haben Sie denn das Gefühl gehabt, Mrs. Miller, daß Eliza Burton tatsächlich nichts wußte?«
»Das kann man bei einer Frau wie ihr nie sagen.«
»Wir werden auf jeden Fall mit ihr reden müssen«, meldete sich Bill vom Rücksitz.
Der Meinung war ich auch.
Die Umgebung hatte sich ein wenig geändert. Sie war lieblicher geworden. Hier und da sah ich ein Haus. Keine modernen Bauten, nein, aus den Steinen der Insel errichtet und oft genug von wilden Ranken bewachsen. Ursprünglich und bodenständig.
Zum Haus der Millers führte ein sehr schmaler Pfad, der erst vor dem Gebäude an Breite zunahm, so daß man sogar von einem kleinen Parkplatz sprechen konnte.
Mrs. Miller stoppte neben einer grün gestrichenen Holzbank, die vor der Haustür stand.
»Wir sind da!« Etwas Stolz schwang bei dieser Meldung in ihrer Stimme mit.
Ich schaute mich um. Auch Bill war neugierig. »Hier wohnst du also«, sagte er zu Sheila.
»Ja, und wie gefällt es dir?«
»Nett, wirklich. Man kann sich entspannen und hat zudem die nötige Ruhe.«
»Das habe ich auch gedacht.«
Mir kam das Haus zugewuchert vor. Die Pflanzen bildeten einen dichten Saum. Blatt reihte sich an Blatt, wobei die einzelnen Ranken kaum zu erkennen waren.
In dieser Umgebung erschien mir die Natur noch intakt. Im Hof hörten wir das Gackern der Hühner. Einen Vorgarten gab es nicht.
Dafür zog sich das Grundstück hin bis zur normalen Straße. Es war bewachsen mit Gras und hüfthohem Buschwerk.
Mrs. Miller hatte die Tür geöffnet und ließ uns eintreten. Eine Gaststätte war es nicht. Ihre Gäste würden in den Wohnraum gebeten, der mir sehr geräumig vorkam, wobei er mit allerlei Krimskrams vollgestopft war und dennoch irgendwie gemütlich wirkte.
»Nett haben Sie es hier.«
»Ja, meine Gäste und ich fühlen uns hier auch wohl. Stimmt es, Sheila?«
Bills Frau nickte und zeigte dabei ein verkrampftes Lächeln.
»Johnnys Zimmer liegt in der ersten Etage«, sagte sie dann.
»Gut, nichts wie hin.«
Wir ließen uns von Sheila führen. Die Treppe war eng. Zwei Personen konnten nicht nebeneinander gehen. Durch kleine Fenster sickerte zu wenig Tageslicht, deshalb brannte auch die Lampe.
Sheila ging oben vor und drückte die Tür auf. Hintereinander betraten wir den Raum.
Ich behielt dabei sehr genau Nadine im Auge. Die Wölfin drängte sich an uns vorbei, scheuerte noch mit ihrem Fell gegen unsere Beine und blieb mit gesträubtem Fell mitten im Raum stehen.
Ein leises Knurren drang aus ihrem Maul…
Jeder hatte es gehört. Mrs. Miller zog sich etwas zurück. Wir anderen waren gespannt und taten selbst nichts. Wir mußten Nadine die Initiative überlassen.
Sie ging auf das Bett zu. Umkreisen konnte sie es nicht, da es am Kopfende mit der Querwand abschloß. Aber sie sprang hinauf, blieb dort für einen Moment stehen, bevor sie den Kopf senkte und mit ihrer Schnauze über das Kopfkissen und das Bettlaken strich, auf dem Johnny gelegen hatte.
Dann sprang sie mit einem Satz wieder vom Bett und stand schon am Fenster.
»Das ist genau der Weg, den Johnny genommen hat«, erklärte Sheila uns.
Es sah so aus, als wollte Nadine durch das Fenster. Bill ging hin und öffnete es.
Nadine richtete sich auf. Sie legte ihre Vorderläufe auf die Fensterbank, reckte den Kopf vor und »nickte«. Es sah so aus, als wollte sie nach draußen springen.
Ich beugte mich über sie hinweg, schaute nach unten und sah im Gras das helle Schimmern.
»Dort liegt eine Leiter!« meldete ich.
»Die hat Johnny wohl genommen«, murmelte Bill.
Ich drehte mich zu den anderen um. »Lehnte sie denn bereits tagsüber so an der Hauswand, daß er hinaussteigen konnte?«
»Nein!« erklärte Mrs. Miller.
»Das wissen Sie genau?«
»Ja.«
»Dann muß ihm jemand die Leiter gebracht haben!« folgerte Bill.
»Und wer?«
Ich schnippte mit den Fingern. »Wie hieß der Junge noch, der mit Johnny spielte?«
»Benny Burton.«
»Richtig. Die beiden haben meiner Ansicht nach den entsprechenden Plan gefaßt.«
»Meinst du?« fragte Sheila.
»Ja.« Ich hob beide
Weitere Kostenlose Bücher