051 - Duell mit den Ratten
Ich brauche einige Stunden Ruhe und möchte von niemandem gestört werden.«
»Sehr wohl, Mrs. Reuchlin«, sagte Coco.
Die Verbindungstür wurde wieder geschlossen, und Coco hörte an den Geräuschen, daß Irene Reuchlin die Direktion verließ. Als sie abermals durchs Fenster blickte; sah sie Dorian, der in Begleitung von Theophil Crump und zwei Exekutor Inquisitoren aufs Schloß zukam.
Sie atmete unwillkürlich schneller.
Hatte sich Dorian entschlossen, das Dämonennest auszuheben? Aber nein! Wenn das der Fall wäre, dann würde er nicht offiziell auftreten, sondern sein Glück mit einem blitzartigen Überraschungsangriff versuchen. Doch was wollte er dann hier? Hoffentlich hatte er nicht zu verstehen gegeben, daß er sie kannte. Sie wollte ihr Inkognito noch nicht lüften, sondern ihre wahre Identität bis zum letzten Augenblick geheim halten.
Die vier Männer verschwanden aus ihrem Blickfeld. Die beiden E.I.s in Dorians Begleitung hießen Marvin Cohen und Steve Powell. Coco hatte schon einige Male mit ihnen zu tun gehabt, wußte aber noch nicht viel über ihre Fähigkeiten.
Marvin Cohen war zweiunddreißig Jahre alt, ein Meter siebenundsiebzig groß, hatte ein scharfgeschnittenes Gesicht mit brutalen Zügen und dunkles, welliges Haar. Vom O.I. wußte sie, daß er wegen seiner gewalttätigen Art schon etliche Disziplinarverfahren hinter sich hatte und deshalb vom Secret-Service zur Inquisitions-Abteilung abgeschoben worden war.
Steve Powell war um sechs Jahre jünger als Cohen, ein Meter zweiundachtzig groß und hatte brandrotes Haar. Er hatte ihr scherzhaft gestanden, daß er ein Milchgesicht habe und deshalb einen Vollbart tragen würde. Powell war beim Secret Service als Scharfschütze ausgebildet worden, hatte aber erst einmal einen Menschen getötet – und das in berechtigter Notwehr. Wenn man sein irisches Temperament nicht reizte, war er ruhig und umgänglich.
Jetzt würde es sich zeigen, wie sich die beiden E.I.s im Einsatz bewährten.
Es dauerte nicht lange, da wurde an Cocos Bürotür geklopft.
Ohne ihre Erlaubnis abzuwarten, trat Theophil Crump ein. Der Turnlehrer zeigte grinsend sein Pferdegebiß und fuhr sich mit der Hand durch seine wallende rote Mähne.
»Da sind drei Herren vom Secret Service«, sagte er, »die unbedingt Mrs. Reuchlin sprechen möchten. Sie wollten mir einfach nicht sagen, aus welchem Grund sie gekommen sind. Würden Sie sie wohl bei der Frau Direktor anmelden?«
Coco erhob sich und warf einen unsicheren Blick durch die offenstehende Tür auf den Korridor hinaus, wo Dorian und seine Begleiter unbeteiligt warteten.
»Tut mir leid«, sagte sie, »aber Mrs. Reuchlin fühlt sich nicht wohl. Sie hat mir ausdrücklich zu verstehen gegeben, daß sie nicht gestört werden möchte.«
»Tja.« Theophil Crump machte eine hilflose Geste in Richtung der drei Männer. »Ich fürchte, da kann man nichts machen. Wenn Mrs. Reuchlin sagt, sie wolle nicht gestört werden, dann meint sie das auch. Sie kann fuchsteufelswild werden, wenn man ihren Wünschen zuwiderhandelt.«
»Das ist kein Höflichkeitsbesuch«, sagte Dorian und trat in Cocos Büro ein. Die beiden E.I.s blieben auf dem Korridor zurück. Dorian stellte sich Coco mit seinem richtigen Namen vor und fuhr fort: »Ich habe einen richterlichen Hausdurchsuchungsbefehl. Glauben Sie nicht auch, daß das Grund genug ist, um die Frau Direktor doch zu stören?«
»Ich weiß nicht«, sagte Coco unsicher, obwohl sie innerlich aufatmete, weil Dorian ihre Anonymität wahrte.
»Was soll man da machen?« fragte Theophil Crump, doch plötzlich schien er sich entschieden zu haben. »Wenn Sie einen richterlichen Durchsuchungsbefehl haben, wird wohl kaum etwas zu machen sein. Ich denke, wir brauchen Mrs. Reuchlin deshalb nicht in ihrer Ruhe zu stören. Sie hat in den letzten Tagen viel durchgemacht. Tun Sie also Ihre Pflicht! Fühlen Sie sich hier wie zu Hause. Aber darf ich wenigstens erfahren, wonach Sie suchen?«
Dorian nickte, aber an Stelle einer Antwort sagte er zu Coco: »Halten Sie sich, bitte, weiterhin zu unserer Verfügung, Miß Swanson! Es kann sein, daß wir noch einige Fragen an Sie haben. Kommen Sie, Mr. Crump!«
Als er mit Theophil Crump auf dem Korridor war, erklärte Dorian Hunter: »Wir sind mit den Ermittlungen im Fall Skeates betraut.«
»Ich habe nicht gewußt, daß es einen solchen Fall überhaupt gibt«, sagte Crump erstaunt. »Miß Skeates hat gleich nach ihrer Kündigung das Internat verlassen. Sie hatte schon
Weitere Kostenlose Bücher