0511 - Der Fluch der Baba Yaga
Reihenfolge aus würfeln…«
Die Druidin räusperte sich. »Vermutlich habe ich die Elsaß-Fälle schneller gelöst, als du dich entscheiden kannst, welches Kleid du denn in Griechenland einkaufen möchtest.«
»Ach, du könntest mich eigentlich per zeitlosem Sprung direkt in einer Boutique in Athen absetzen. Da kleide ich mich komplett ein, das spart Zeit und Mühe. Warte, ich muß nur eben an Zamorras Scheckheft heran…«
»Ich lasse sofort sämtliche Schecks und Konten sperren!« verkündete Zamorra.
Nicole lächelte ihn an. »Tja, dann wirst du mich wohl aus einem griechischen Gefängnis auslösen müssen, weil ich ja nichts anzuziehen habe…«
Das Telefon unterbrach das unernste Geplänkel. Raffael mußte ein ankommendes Gespräch direkt in den spätmittäglichen Frühstücksraum weitergeschaltet haben. Zamorra beugte sich vor, nahm den Hörer ab und meldete sich.
Und seufzte.
»Ja, Boris«, murmelte er. »Natürlich. Ich habe nur auf deinen Anruf und dein Problem gewartet. Ich habe ja sonst nichts zu tun.«
Die anderen spitzten die Ohren. Zamorra lauschte in den Hörer. »Ja, ich komme«, meinte er schließlich und legte auf. »Unser Freund Boris Saranow. Zwischen Moskau und Kiew ist im wahrsten Sinne des Wortes die Hölle los.«
»Das gibt zu denken, nicht wahr?« sagte Nicole. »Wenn’s an drei Stellen zugleich brennt, ist das bestimmt kein Zufall mehr. Da läuft etwas Großes.«
Zamorra nickte. »So sehe ich’s auch. Vermutlich wird uns nichts anderes übrigbleiben, als uns zu trennen. Ich denke, wir warten noch zwei, drei Stunden, ob noch eine vierte oder fünfte Meldung kommt, danach kümmern wir uns um die Sache.«
Teri Rheken rieb ihre Handballen gegeneinander. »Also schön«, sagte sie. »Ich kümmere mich um die Todesfälle im Elsaß. Vorher bringe ich Zamorra per zeitlosem Sprung nach Moskau und Nicole nach Athen.«
»Aber vorher passiert noch etwas ganz anderes«, grummelte Zamorra. »Und zwar zieht sich eine gewisse Nicole Duval an! Andernfalls ziehe ich ihr den Hosenboden stramm.«
»Welchen Hosenboden?« grinste seine Gefährtin ihn an. »Außerdem wäre das Gewalt gegen Frauen, was erstens strafbar ist und zweitens von schlechtem Charakter zeugt.«
»Manchmal gibt es Schlimmeres«, philosophierte der Dämonenjäger. »Es gibt viel zu tun - delegieren wir es.«
***
Allmählich lernte die alte Hexe, die Welt zu verstehen. Sie zerstörte nicht nur, sie nahm auch Wissen auf, und je mehr sie verstand, desto gezielter wurden ihre Aktionen. Sie legte es jetzt darauf an, dort aufzutauchen, wo viele Menschen waren.
Sie zog eine Straße der Zerstörung durch die russische Stadt Bransk; sie brachte das Wasser des Flusses Desna, an dem die Stadt lag, zum Kochen; sie zerstörte die Gleise der Eisenbahnlinie.
Über das Ausmaß des Schadens machte sie sich keine Gedanken. Das hatte sie früher auch nie getan. Aber sie fragte sich, was sie noch alles anstellen mußte, damit dieser Zamorra endlich auf sie aufmerksam wurde.
Früher, da hätte es vielleicht Wochen und Monate gedauert, bis er endlich gekommen wäre, um gegen sie zu streiten. Deshalb hatte sie, als Stygia ihr die Frist nannte, auch gelacht. Doch so, wie die Sterblichen sich jetzt miteinander verständigen konnten - sie benutzten einen sprechenden Knochen, der an einer aus der Wand kommenden Schnur hing -, mußte dieser Zamorra theoretisch bereits informiert sein. Warum also zeigte er sich nicht, er, der so stark abgeschirmt war, daß die Magie der Uralten ihn nicht direkt erreichen konnte?
Nicht, daß es sie sehr danach drängte, ihm gegenüberzustehen. Denn ihre Freiheit bekam sie so oder so, wenn die Frist verstrichen war.
So ritt sie auf ihrem Ofen weiter in Richtung Moskau, und ihr Haus auf Hühnerbeinen stakste unbeirrbar hinter ihr her.
***
Der Lachende Tod schritt über das einstige Schlachtfeld. Verdun - wieviele französische und deutsche Soldaten waren hier einst in den Schützengräben verblutet? Wie viele vom Kampfgas vergiftet worden? Wie viele waren an Dummheit und Leichtsinn ihrer Politiker und Generäle gestorben? Der Lachende Tod hatte sie nie gezählt. Nicht damals, als er unsichtbar zwischen den Verführten einhergeschritten war und sie zu Hunderten niedergemäht hatte, wie ein Schnitter im Getreidefeld, und nicht jetzt in seinen Erinnerungen. Aber es fiel ihm auf, daß sie damals viel mehr an ihrem Leben gehangen hatten als seine jetzigen Begleiter, bei denen er teuflisch aufpassen mußte, daß sie ihn
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