0512 - Der lachende Tod
Kopf und seine Schulter. Vorsichtig tastete er danach und spürte verkrustetes Blut. Neben ihm lag ein größerer Blechbrocken, der einmal zum Kotflügel eines Shiguli-Niva gehört hatte - von der Explosion losgerissen und abgesprengt. Das Teil hatte Saranow gestreift.
Jetzt war er wieder bei Bewußtsein. Bedächtig richtete der massige Mann sich auf. Im ersten Moment stand er noch etwas unsicher, aber er erholte sich einigermaßen rasch. Als er sich bewegte, schmerzte die Schulter stärker, und er fühlte eine warme Feuchtigkeit. Die Wunde war wieder aufgebrochen.
»Ganz ruhig bleiben«, murmelte er. »Nicht in Panik geraten, nichts überstürzen. Nur die Ruhe behalten - Ruhe ist russische Erfindung.«
Er sah zum Wagen hinüber, zu dem ausgebrannten Wrack. Nur noch ein schwarzes Metallgerüst, ziemlich deformiert und teilzerlegt, war übriggeblieben. Das Feuer war erloschen, hatte nicht sehr lange vorgehalten.
Nur Glut knisterte noch, und ein geradezu ekelhafter Geruch schmorenden Gummis wehte zu Saranow herüber.
Er machte ein paar Schritte. Erleichtert atmete er auf, als das befürchtete Schwindelgefühl ausblieb. Kein zusätzlicher Schmerz, kein Brechreiz, keine Flecken vor den Augen. Nur die Schulterverletzung blutete. Aber damit mußte er sich abfinden. Das Verbandmaterial, die kleine Erste-Hilfe-Box, war mit dem Geländewagen verbrannt.
Von dem Wrack ging immer noch Hitze aus. Saranow umkreiste das Fahrzeug, aber er konnte nichts sehen, was er gebrauchen konnte. Selbst Zamorras Alu-Koffer hatte Explosion und Brand nicht überstanden. Zamorra würde sich eine neue Ausrüstung beschaffen müssen.
Saranow ging an dem Wagen vorbei zur Straße, von der er abgekommen war und sich dann mit dem Auto überschlagen hatte. Die Baba Yaga mußte ihn unter ihren Einfluß gebracht haben. Aber wie, und warum nur ihn?
Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen vor den Augen.
Huhn nach Moskowiter Art! Zamorra und er hatten in einem Restaurant Geflügel verspeist. Saranow schalt sich einen Narren. Warum war ihm nicht früher schon eingefallen, daß die Hexe Menschen mit ihrer verfluchten Zauberkunst beeinflussen konnte, wenn sie einen Knochen eines Huhns in ihrem Besitz hatte, welches der Betreffende eben vorher verspeist hatte? Mit ihrem Hühnerschmaus hatten die beiden Parapsychologen sich doch ahnungslos in die Klauen dieser Hexe begeben! Und er hatte es gewußt, aber einfach nicht mehr an diese Gefahr gedacht…
Doch wie sollte er auch, waren sie doch alle davon ausgegangen, daß zum Zeitpunkt des Mahles Baba Yaga noch über fünfzig Kilometer von Moskau entfernt war! Wer hätte damit rechnen können, daß das alte Zauberweib diese Distanz in ein paar Minuten überwand, um abgenagte Hühnerknochen aus einem Restaurant zu stibitzen und dann wieder an die Stätte ihres letzten unheilvollen Wirkens zurückzukehren?
Das bedeutete aber auch, daß Baba Yaga nicht zufällig erschienen war. Sie hatte den beiden Männern eine Falle gestellt! - Vielleicht nur eine Falle für Zamorra, und er, Saranow, war mit hineingeraten! Was er aus Zamorras Erzählungen kannte, ließ ihn zu diesem Schluß kommen. Jemand wollte Zamorra vernichten. Baba Yagas Auftauchen war eine gezielte Aktion!
Und jetzt war Zamorra irgendwo, garantiert zu viele Kilometer weiter im Außenland, als daß Saranow zu ihm stoßen konnte. Und einmal ganz abgesehen von der Entfernung, die er unter hypnotischer Kontrolle der Hexe zwischen sich und Zamorra gebracht hatte, wie sollte er seinem Freund und Kollegen helfen? Er hatte doch Zamorra hergebetèn, damit der etwas gegen die Hexe unternahm, was Saranow selbst mit seinen Mitteln nicht gelingen konnte!
Er sah den Weg entlang. In beiden Richtungen führte er praktisch ins Nichts, in endlose Weiten. Moskau war sicher immer noch rund 50 Kilometer entfernt, und wo Zamorra und der MBR-Agent sich befanden, konnte Saranow nur ahnen. Was also sollte er jetzt tun?
Sich selbst helfen?
Er ließ Zamorra nicht im Stich, wenn er sich in die entgegengesetzte Richtung bewegte. Helfen konnte er dem Freund ohnehin nicht selbst, aber er konnte versuchen, von der nächsten Ortschaft aus, die er erreichte, zu telefonieren und Leute herzubitten, die über bessere Möglichkeiten verfügten als er selbst.
Also setzte er sich in Marsch. Er ahnte, daß er einen langen Weg vor sich hatte. Aber wenigstens blutete die Schulterwunde jetzt nicht mehr.
***
Teri Rheken erstarrte förmlich. Entgeistert starrte sie die eigenartige Gestalt an, die
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