0513 - Die Hexenfalle
Bewußtseinsinhalt des »Opfers« eingestellt hatten; sie mußten zwangsläufig jede »Einmischung« eines anderen wahrnehmen. Nicole hatte das Handicap, daß sie denjenigen vor sich sehen mußte, dessen Gedanken sie las. Ein dünner Vorhang dazwischen konnte schon alles blockieren.
Ich habe gesehen, wie du zurückgetaumelt bist, die Hände hochreißen wolltest, wie um jemanden abzuwehren, der überraschend neben dir auftaucht. Du bist mit dem Kopf angestoßen, hast etwas zu röcheln versucht, und da dachte ich mir, daß es dich wieder gepackt hat, und packte dich. Aber gesehen in dem von dir gedachten Sinn habe ich nichts. Ich weiß nicht, wer dich wie bedroht hat. Was war es?
»Ein Messer«, sagte Zamorra rauh. »Ich sah Naomi, wie sie mir die Kehle durchschnitt.«
»Ausgerechnet Naomi?« staunte Nicole. »Das ist fast unglaublich.«
»Nicht weniger unglaublich als Fenrirs Angriff im Auto.« Jetzt erst kam er dazu, ihr die Einzelheiten zu schildern, so wie er sie erlebt hatte.
»Allmählich mache ich mir um dich wesentlich mehr Sorgen als um Naomi«, gestand Nicole. »Du siehst etwas in deiner Einbildung, aber ein erstklassiger Telepath, der dabei deine Gedanken überwacht, kann dieses Gedankenbild nicht erkennen? Da ist doch was faul, Chef!«
»Wir werden das untersuchen«, sagte Zamorra. »Wenn wir wieder im Château sind. Da fühle ich mich auch ein wenig sicherer. Zumindest sind die Halluzinationen dort nicht aufgetreten.«
»Und was wird aus Naomi?« erkundigte sich der Wolf.
»Ist es zuviel verlangt, wenn du sie ein wenig im Auge behältst?« bat Zamorra.
Das habe ich ja bisher auch schon getan. Wenn es schlimmer wird oder auch besser, melde ich mich. Nur schade, daß der Weg bis zu euch immer so weit ist.
»Wir könnten gewisse Zeiten verabreden, zu denen ich… äh… gewissermaßen ›auf Empfang‹ bin«, schlug Nicole vor. »Ich konzentriere mich auf Gedankenbotschaften von dir. Wenn du dann sendest, bekomme ich es mit. Umgekehrt funktioniert das natürlich nicht.«
Mich wundert immer wieder, wie ihr Menschen in eurer Unvollkommenheit so lange habt überleben können, spöttelte der Wolf. Aber wir können es versuchen. Jeden Tag zur Mittagszeit - dann seid ihr Schlafmützen ja hoffentlich aus den Federn - gebe ich eine Art Lagebericht. Einverstanden? Am besten machen wir nachher eine Probe. Etwa eine Stunde nachdem ihr von hier aufgebrochen seid, mache ich die erste Sendung. Wenn du sie über die Entfernung nicht empfangen kannst, Nicole, kommt einer von euch morgen im Laufe des Tages hierher und gibt mir Bescheid. Dann überlegen wir uns etwas anderes.
»Einverstanden«, sagte Nicole. »Eine bessere Lösung fällt mir im Moment nicht ein. Glaubst du wirklich, daß Naomi schwerwiegende Probleme hat, mit denen sie allein nicht fertig wird?«
Meinst du damit, sie sei vielleicht eine Selbstmordkandidatin?
»Ich will’s zumindest nicht ganz ausschließen«, erwiderte Nicole. »Viele Menschen mit Depressionen glauben plötzlich keinen anderen Weg mehr zu sehen, mit ihren Problemen fertig zu werden, als die Flucht in den Selbstmord.«
Wenn ich merke, daß sie so etwas vorhat, erklärte der Wolf, bringe ich sie um. Im Ernst: ich werde sie daran hindern. Irgendwie schaffe ich das schon.
»Wir wollen doch hoffen, daß es erst gar nicht so weit kommt«, sagte Zamorra.
Dann warteten sie darauf, daß Pascal auftauchte und einen weiteren Fahrer mitbrachte, um sie abzuholen.
Ein ziemlicher Aufwand für einen einfachen Besuch, der noch dazu seinen Zweck nicht erfüllt hatte.
***
Als sie fort waren, öffnete Fenrir auf seine bewährte Weise wieder die Haustür und schlüpfte in die Stube der kleinen Holzhütte. Naomi reagierte nicht auf ihn, auch nicht auf die kühle Abendluft, die durch den offenen Türspalt hereindrang - der Wolf konnte die Tür zwar öffnen, hatte aber bisher den Dreh noch nicht heraus, sie wieder zu schließen - und wollte das momentan auch gar nicht. Er wollte Naomi so wenigstens zu einem Hauch von Aktivität zwingen - nämlich zum Aufstehen und Türschließen, wenn’s ihr zu kalt wurde.
Sie reagierte überhaupt nicht.
Erneut stupste er sie an.
Da wandte sie sich ihm zu. »Laß mich in Ruhe. Und schlepp mir nicht noch einmal fremde Leute ins Haus. Ich will nicht, daß sie sich in meine Angelegenheiten mischen. Es ist etwas, womit ich allein fertig werden muß - und es auch werde. Laß mich allein.«
Der Wolf dachte nicht einmal daran, so etwas zu tun. Er trottete zu seiner
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