0513 - Die Hexenfalle
nach Mitternacht; eigentlich die Zeit, in der Nicole und er als Nachtmenschen aktiv waren, um dafür die Morgenstunden zu verschlafen. Dieser verschobene Rhythmus paßte hervorragend zur Dämonenjagd, weil die Schwarzblütigen ja auch vorwiegend bei Dunkelheit aktiv wurden.
Zamorra löste sich aus der Umarmung seiner schönen Gefährtin und stand auf. Das Knie war wieder in Ordnung. Es gab zwar einen kräftigen blauen Fleck, aber der lag auf der Kniescheibe und nicht etwa darunter. Ein vorsichtiges Abtasten ergab, daß auch nichts angesplittert sein konnte. Zamorra atmete erleichtert auf. Alles andere waren nur ein paar weitere blaue Flecke, die bald wieder verschwinden würden. Der dicke Stoff seines Trainingsanzuges hatte einen großen Teil der Sturz-Folgen abgedämpft.
Während Zamorra den hochflorigen Teppich des breiten, rechts von Fenstern und links von Gemälden und Zimmertüren gesäumten Korridors unter seinen Fußsohlen spürte, überlegte er, wie es zu seinem »Ausrutscher« hatte kommen können. Er hatte Turnschuhe mit griffigen Gummisohlen getragen, die auf glattem Boden immer markerschütternd zu quietschen pflegten - sehr zum Verdruß Nicoles, wenn sie in der Nähe war. Ganz gleich, wie naß die Stufen gewesen waren - er hätte gar nicht ausrutschen können. Höchstens bei Glatteis… und dazu lagen die Temperaturen ganz entschieden zu hoch.
Angestoßen hatte ihn aber auch niemand.
Er erreichte das Kaminzimmer, nahm ein Glas und die Mineralwasserflasche aus der Hausbar und schenkte sich ein. Das Feuer war längst niedergebrannt und erloschen, aber es war nicht kalt im Raum. Die meterdicken Steinwände des Châteaus speicherten sowohl Kälte und auch Wärme für lange Zeit. Im Sommer war es in den Zimmern angenehm kühl, im Winter hielt die Sommerwärme lange vor. Um die letzte Jahrtausendwende hatte Leonardo deMontagne, der Schwarzmagier, dieses Bauwerk errichten lassen und damals schon eine so moderne Architektur gepflegt, daß es selbst heute noch eine gelungene Mischung aus verspieltem Loireschloß und trutziger frühmittelalterlicher Burgfestung war. Dabei war in all den Jahrhunderten äußerlich kaum etwas verändert worden.
Zamorra ließ sich, das Glas in der Hand, in den Sessel sinken. Der Dreck, den Fenrir hinterlassen hatte, war bereits beseitigt worden; entweder Raffael oder William hatte sich darum gekümmert und nicht erst auf den Großeinsatz der Raumpflegerin gewartet. Zamorra beschloß, dem Wolf noch einmal gründlich die Leviten zu lesen.
Der Wolf…
Hatte der sich nicht eine Stunde nach Zamorras und Nicoles Abreise telepathisch melden wollen? Da waren sie noch unten in Mostaches Kneipe gewesen, die seit einer kürzlich erfolgten Renovierung nicht mehr »Zum Faß« hieß, sondern »Zum Teufel«. Mostache meinte, das sei origineller, zumal ja der Dämonenjäger Zamorra zu seinen Stammgästen zählte… Was der Dorfgeistliche zu dieser Namensänderung gesagt hatte, war bisher noch nicht an Zamorras Ohren gedrungen, aber man munkelte, er trinke seinen allabendlichen Schoppen Wein nach wie vor an seinem allabendlichen Stammplatz, wo er sich aus den Gesprächen der Dörfler den Stoff für seine Predigten holte.
Nicole tauchte auf, das Haar verwuselt und so textilfrei, wie Zamorra sie im Schlafzimmer zurückgelassen hatte. Sie stutzte, als sie ihn im Sessel entdeckte. »He, machst du mir neuerdings in Sachen Bekleidungsgewohnheiten Konkurrenz?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich hatte nur keine Lust, mich anzuziehen. Um diese Zeit geistert außer vielleicht Raffael ja keiner mehr durchs Gemäuer, und der ist Entsetzlicheres gewohnt.«
Nicole musterte ihn nachdenklich. »So entsetzlich sieht das eigentlich gar nicht aus«, stellte sie fest. »Eher appetitanregend…«
Aber dann vernaschte sie ihn doch nicht noch einmal, sondern schenkte sich nur ebenfalls Wasser ein. Zusätzlich verdünnte sie es mit einem kräftigen Schuß Rotwein, um dem Geschmack auf die Sprünge zu helfen. »Weißt du, was mir eben siedendheiß einfiel, als ich so völlig allein und vereinsamt in deinem unverschämt großen Bett erwachte?«
»Fenrir«, tippte Zamorra. »Deshalb hat dein schlechtes Gewissen dich auch an die Stätte seiner kulinarischen Schandtaten getrieben.«
»Das zwar nicht unbedingt - aber ich hatte mich doch auf seine telepathische Nachricht konzentrieren wollen. Das hätte im« Teufel »passieren müssen, nicht wahr? Und ich habe in dem Durcheinander dann einfach nicht mehr daran
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