Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0515 - Der mordende Wald

0515 - Der mordende Wald

Titel: 0515 - Der mordende Wald Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
Zimmer seinen Kopf als Trophäe… nein, das besser nicht, sonst werde ich jeden Tag an ihn erinnert. Himmel, ich stinke wie ein ganzes Branntweinfaß !«
    »Der Teppich stinkt auch«, bemerkte Zamorra trocken und hob die Flasche auf, die Cristofero aus der Hand geglitten war. Sie hatte den Aufschlag auf dem Teppich zwar heil überstanden, war aber mittlerweile fast völlig ausgelaufen - viel hatte sich indessen ohnehin nicht mehr darin befunden.
    »Ist das deine einzige Sorge?« fragte Nicole wütend. Sie bückte sich nach Cristoferos Hut und feuerte ihn Zamorra auf den Kopf. Dann wirbelte sie auf dem Absatz herum und hastete davon.
    Zamorra betrachtete nachdenklich den wohlbeleibten Ahnherrn spanischer Linie, die fast leere Cognacflasche und die Scherben des an der Wand zerschellten Glases. Seufzend nahm er einen Schluck aus der Flasche, stellte fest, daß ihm der Alkohol gar nicht so recht schmecken wollte und stellte die Flasche mit dem winzigen Rest auf die Fensterbank. »Wofür gibt’s die Dienerschaft?« murmelte er, packte Cristofero bei den Stiefeln und schleifte ihn zurück ins Zauberzimmer.
    Der Gnom war dermaßen in seine Arbeit vertieft, daß er gar nicht so richtig mitbekam, was seinem Herrn und Gebieter zugestoßen war; das Honigglas war halbleer. Zamorra hoffte, daß dem Gnom nicht speiübel wurde, bevor der Zauber wirkte -irgendwo hatte auch seine Duldsamkeit ihre Grenzen.
    ***
    Caxatos, der alte Druide, hatte seinen Schüler im Lager zurückgelassen und ihm bedeutet, daß er allein sein wollte. Er lehrte ihn alles, was er wußte, und das war viel - die alten Überlieferungen, die von der Herkunft des helvetischen Volkes berichteten, von frühester Zeit an; er lehrte, Kranke zu heilen und Gesunde zu vergiften; er lehrte ihn, zum Zweck der Heilung auch den Körper zu öffnen und wieder zu schließen, den Kopf dabei nicht ausgeschlossen. Er lehrte ihn die Namen aller Tiere und Pflanzen der Welt und ihre Bedeutung, ihren Zweck, ihr Lebensziel und ihren Nutzen. Er lehrte ihn die Namen der Götter, die Sprache der Freunde, der Feinde, der Tiere und der Pflanzen. Die Zauberei, und auch Dinge, die von den einfachen Menschen als Zauberei angesehen wurden, ohne es wirklich zu sein. Er lehrte ihn das Nachdenken und Berechnen der Bahnen, die die Gestirne am Himmel zogen, um daraus die beste Zeit für Saat und Ernte zu bestimmen, und er lehrte ihn bereit zu sein, wenn die Besucher von anderen Welten einst wiederkehrten mit ihren Feuerwagen des Himmels.
    Und das alles ohne jegliches Hilfsmittel wie Schrift, wie sie die Römer und andere Völker besaßen. Die Druiden brauchten die Schrift nicht. Weder Ton- noch Wachstafeln, weder Steinritzungen noch Pergament. Was geschrieben war, geriet zu leicht in Vergessenheit und war für alle Zeiten verloren, wenn das geschriebene Wort zerstört wurde, sei es durch Unglücksfälle oder Kriegsfolgen. Außerdem konnte das geschriebene Wort von einem Schreiber zum anderen verfälscht werden, oder die Schreiber konnten die Bedeutung dadurch verfälschen, daß sie ihre eigene Meinung einbrachten, indem sie ihre eigenen Worte benutzten.
    Das gesprochene Wort aber war unverfälschlich und immer wahr. Von Druidengeneration zu Druidengeneration wurde es gelernt und unauslöschlich dem Gedächtnis eingeprägt, und damit es nie verlorenging, gab man es alsbald an seinen Nachfolger weiter. Der Schüler des Caxatos hatte bereits seinen eigenen Lehrling erwählt, dem er die ersten Begriffe nahebrachte, die jener sich zu verinnerlichen hatte für den Rest seines Lebens, um sie danach abermals weiterzugeben an seinen Schüler. Menschen starben und wurden wiedergeboren. Das Wissen wurde ebenfalls wiedergeboren in jedem, der die Worte seines Lehrers in sich aufnahm. Es war ein Kreislauf ohne Ende. Und es war viel, das erlernt werden mußte; geschah es, daß ein Lehrer starb, ehe er den größten Teil seines Wissens übermittelt hatte, so bat der Schüler einen anderen Lehrer, das Werk fortzusetzen, wie er auch selbst stets andere Schüler belehrte. Wann immer es möglich war, trafen sich die Druiden, um untereinander Wissen auszutauschen. Das Leben war von Wiedergeburt bis Tod ein ständiges Lernen unçl Lehren, und es kam immer neues Wissen hinzu, das die Alten noch nicht gekannt hatten.
    Nur eines gab es, das Caxatos nicht weitergab. Das war sein ganz persönliches Geheimnis.
    Das war Esus.
    Und jetzt wieder war der alte Druide unterwegs und schritt in den Wald hinein, um mit Esus, dem

Weitere Kostenlose Bücher