0516 - Monster-Kirmes
habe ich auch. Ich wünsche viel Spaß.« Er wollte gehen, ich hielt ihn aber auf.
»Sagen Sie, Roger, bleiben Sie noch ein wenig auf dem Jahrmarkt?«
»Hatte ich vor.«
»Dann werden wir uns ja sehen.«
Er grinste breit und behielt den Glimmstengel dabei im Mund.
»Vorausgesetzt, Sie verschwinden nicht auch.«
»Dann wissen Sie ja, wo wir hingegangen sind.«
Ali konnte es jetzt kaum noch erwarten. Er drängte uns auf die kleine Kasse zu. »Der Alte, der dahinter sitzt«, flüsterte er, »dem traue ich auch nicht. Der hat mich so wissend angeschaut und mich zurückgehalten. Ich mußte erst eine Weile verstreichen lassen, bevor ich die Bude betreten konnte.«
Das war in der Tat recht ungewöhnlich, denn wer eine Karte gelöst hatte, konnte den Tunnel auch betreten. Wie der Vater mit den beiden Kindern direkt vor uns. Die drei Personen schritten gemeinsam durch die Schwingtür.
Suko, der schon an der Kasse stand, drehte sich plötzlich um und lächelte. »So alt sieht mir der Verkäufer aber nicht aus. Eher das Gegenteil davon.«
»Wie?«
Ali lief zu ihm, schaute in die kleine Bude und schüttelte den Kopf. »Suko hat recht. Da sitzt eine andere. Ein… ein junges Mädchen. Die Kleine ist kaum älter als ich.«
»Sprechen wir sie an«, Suko schuf mir Platz. Ich beugte mich vor und schaute in das lächelnde Gesicht einer jungen hübschen Chinesin. »Drei Karten, Sir?« fragte sie.
»Eigentlich ja.«
»Drei Dollar.«
»Dann hätte ich noch eine Frage«, sagte ich, als ich das Geld abzählte.
»Welche bitte?«
»Hat nicht neulich hier ein älterer Herr gesessen und die Karten verkauft?«
»Das stimmt.«
»Und weshalb sitzt er jetzt nicht hier? Hat er Pause?«
»Nein, Sir«, erwiderte das Mädchen und behielt ihr Lächeln auch bei der folgenden Antwort bei. »Er kann nicht mehr kommen, weil er vor zwei Tagen gestorben ist.«
Das war ein Schuß. Auch Suko und Ali hatten die Antwort vernommen. »Gestorben?« fragte der Junge. »Woran denn?« Er beugte sich vor und drückte sich an mir vorbei. Als die nette Chinesin ihn direkt anschaute, bekam er einen roten Kopf. Ali befand sich in einem Alter, wo er nicht wußte, ob er von den Mädchen davonlaufen oder sie lieber in den Arm nehmen sollte.
»Er war alt, wirklich. Fast schon neunzig. Ich habe dann seinen Job übernommen.«
»War er mit Ihnen verwandt?« fragte ich.
»Nur entfernt.«
Das kannte ich. Auch Suko hatte nur entfernte Verwandte. Er sagte immer »Vettern« dazu. Ich brauchte nur an den letzten Fall zu denken, um seine »Vettern« in einem anderen Licht zu sehen. Da hatte man Suko entführt, um mich anzulocken.
Jetzt war Yakup an der Reihe.
»Vielen Dank«, sagte ich.
»Nichts zu danken. Ich finde es nett, daß Sie nach dem alten Herrn gefragt haben.«
Wir ließen anderen Besuchern den Vortritt, denn mir ging der Tod des Mannes nicht aus dem Kopf. Auch Suko hatte ähnlich gedacht. »Glaubst du, daß man nachgeholfen hat?«
»Keine Ahnung, wirklich.«
»Er war doch alt«, widersprach Ali.
Das Mädchen in der Kasse beobachtete uns weiter. Wir schienen der Kleinen nicht ganz geheuer zu sein. Zudem hätten wir schon längst im Tunnel der Angst verschwunden sein müssen.
Es war wohl ein Zufall, daß ich mich umdrehte. Außerdem wollte ich nach Roger Sherman schauen – und sah ihn auch.
Er stand gegenüber, drehte sich jetzt um – und dabei genau in die Flugbahn eines Schattens hinein, der schräg aus der Dämmerung auf ihn zujagte.
Ein fliegender Mensch – bewaffnet mit einer Henkersschlinge, deren Strick er mit beiden Händen gepackt hielt. Mit einem zielsicheren Wurf schleuderte er die Schlinge über den Kopf des G-man und zog sofort zu…
***
Der Chinese setzte seinen Hut wieder auf und verzog den Mund. Er wollte typisch asiatisch lächeln, auf Yakup aber wirkte es wie eine widerliche Grimasse.
Fünf Freunde, hatte er gesagt! Wie war es möglich, daß ein Mensch fünf aufgehängte Personen als Freunde besaß. Daß sie nicht mehr normal lebten, war Yakup klar.
Sie hingen in den Schlingen, ohne sich zu bewegen, auch die roten Augen blieben starr.
»Du sagst nichts? Hat es dir die Sprache verschlagen?«
Yakup umklammerte noch immer die beiden Gitterstäbe. »Ja«, erwiderte er heiser. »Ich bin mehr als überrascht.«
»Das kann ich mir vorstellen.«
»Wieso?« fragte der Türke. »Wieso ist es möglich, daß du diese Personen als deine Freunde bezeichnest?«
Mr. Todd lachte schaurig auf. »Weil ich sie geholt habe. Ich habe
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