0516 - Monster-Kirmes
langen Fäden herab, berührte den Boden und zischte dort auf, wo sie traf. Als wäre es eine Säure, die jemand in Lauge gekippt hatte.
»Aber erst, wenn du gestorben bist, reibe ich deinen Körper damit ein!« versprach Mr. Todd. »Sonst würde die Wirkung verpuffen, und das will ich nicht.«
Er ging wieder zurück. Die Klinge war blank geworden. Reste der Salbe verdampften auf dem Boden.
Vor dem ersten Monstrum stoppte er seine Schritte. Jetzt wurde es tatsächlich ernst, das spürte auch Yakup. In seiner Kehle spürte er das Kratzen. Er ärgerte sich darüber, keine Waffen mitgenommen zu haben. Sie hätten ihm jetzt gute Dienste erwiesen.
»Was ist denn, wenn du die Salbe auf die Körper lebender Menschen streichst?« fragte er.
»Das wäre für diese Menschen fatal. Sie reagiert nur auf tote Körper ohne Seele. Den normalen zerstört sie, den toten aber rettet sie. Da gibt sie ihm einen gewissen Teil seiner Kraft zurück. Reicht dir das als Antwort.«
»Ja, das muß!«
Der Chinese lachte leise. »Das meine ich auch.« Dann reckte er die Arme, um den Kopf der in der Schlinge baumelnden Gestalt erreichen zu können.
Yakup Yalcinkaya sah deutlich, daß Mr. Todd Routine darin hatte, einen Menschen aus der Schlinge zu heben. Schon beim ersten hatte es geklappt, hier ging es weiter.
Wenig später standen die vier Gestalten neben ihm. Wieder strich er mit seinen Fingern über ihre Gesichter. Er beschwor sie, als er ihnen gewisse Worte zuflüsterte.
Yakup wollte noch wissen, was der Nebel und die blaue Farbe zu bedeuten hatten.
»Das sind Tricks gewesen«, erwiderte Mr. Todd. »Sie gehören einfach zum Tunnel der Angst. Schließlich habe ich mich entschlossen, Schausteller zu werden. Ein lustiger Beruf. Man kommt herum in der Welt. Man kann auch forschen, ohne daß es auffällt. Doch ich habe hier jetzt meinen Standort gefunden. Hier möchte ich bleiben, denn in Chinatown fühle ich mich wohl.«
»Wie sehen deine Pläne aus?«
»Ich will dieses Viertel beherrschen. Es soll mir allein gehören, verstehst du? Die Menschen sollen den von mir geschaffenen Gesetzen unterliegen.«
»Ich verstehe!«
Mr. Todd griff in die Tasche und holte einen Schlüssel hervor. Er war ziemlich lang und paßte zum Schloß. »Ich werde dich jetzt befreien, mein Freund. Das heißt, ich werde die Zellentür nur aufschließen. Du kannst dein Gefängnis dann verlassen. Meine Freunde warten schon auf dich.« Er lachte laut.
Yakup war nicht bis an die Rückwand zurückgewichen. Er hielt sich in der Zellenmitte auf und wartete, was geschehen würde.
Noch taten die vier Untoten nichts. Sie sahen im Schein des Feuers noch schauriger aus. Ihre Schlingen hielten sie fest wie Peitschengriffe. Die Salbe ging Yakup nicht aus dem Kopf. Sie war etwas Besonderes, daran zweifelte er nicht, doch er fragte sich, ob sie auch einer gewissen Hitze widerstehen würde. Wenn es ihm gelang, sich eine der Fackeln zu schnappen…
»Keine Chance!« flüsterte der Chinese. »Du kannst dir den Kopf zerbrechen, wie du willst. Ich gebe dir keine Chance mehr.« Er schob den Schlüsselbart in das Schloß.
Yakup tat nichts. Er hatte überlegt, ob er die Tür eintreten sollte, das war noch zu früh.
Aber sprungbereit war er schon…
Zweimal mußte Mr. Todd den Schlüssel drehen, dann konnte die Tür geöffnet werden.
Einmal, zweimal…
»So, jetzt werden dich meine…«
Die weiteren Worte blieben Todd im Hals stecken, denn aus dem Stand war Yakup aufgesprungen. Allein diese Tat bewies, welch eine Kraft in dem Körper steckte.
Er kam wie ein Rammbock und hämmerte gegen die Tür, die nach außen flog und auch Todd erwischte, der so rasch nicht mehr zurückweichen konnte.
Die Gitterstangen erwischten seinen Körper und auch sein Gesicht, so daß ihm der Hut vom Schädel geschleudert wurde. Beim Fallen breitete er noch die Arme aus, als wollte er sich an seinen vier Monstren festhalten, die allerdings einen Teufel taten und nicht reagierten.
Sie hatten andere Befehle bekommen.
Yakup!
Und gegen ihn gingen sie vor!
***
Suko und ich schauten uns an. Wir sagten nichts, das tat Ali, der den letzten Satz ebenfalls gehört hatte. »Was?« rief er. »Das ist dein Onkel?«
»Ja!«
»O nein!« Ali schlug gegen seine Stirn. »Das darf doch nicht wahr sein. Sagt ihr mal was!«
Das hätten wir gern. Uns hatte es nur die Sprache verschlagen. Ich schaute auf die kleine Chinesin. Sie sah so zierlich aus wie eine zerbrechliche Puppe. In ihrem schmalen Gesicht fielen
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