0517 - Zitadelle des Todes
hoch, damit sie das makabre Spektakel besser verfolgen konnten. Was waren das nur für Menschen, die sich am Leid und am Sterben anderer erfreuten? Was war das für eine Zeit?
Jemand stieß ihn heftig an. »Eh, Bürger, warum so ernst? Gefällt dir nicht, was du siehst? Bist du vielleicht auch einer von diesen verfluchten Adligen und hast dich nur verkleidet, wie? He - Bürger, aufgepaßt! Hier ist einer von diesen Schmarotzern, der sich als einer von uns ausgibt… So packt ihn doch endlich!«
»Halt dein Schandmaul, betrunkener Narr!« schrie Garroix ihn an und schlug ihm die Faust ins Gesicht. Da fielen sie alle über ihn her. Im Gedränge hatte er keine Chance zu entkommen.
***
»Sie wollen ihm nicht helfen? Sie wollen ihn seinem Schicksal überlassen?« stieß Patricia entgeistert hervor. »Sie wollen zulassen, daß er in der Vergangenheit stirbt?«
Sid Amos zuckte mit den Schultern. »Ich wüßte nicht, warum ich die Mühen einer Zeitreise auf mich nehmen sollte. Nun gut, Zamorra befindet sich nachweislich dort auf dem Schlachtfeld; das Foto beweist es, und die Recherchen haben einen Gasangriff nachgewiesen - ja, und? Ist das alles, was Ihnen Kopfzerbrechen macht?« Er griff in eine Innentasche seines Maßanzuges und holte ein graues Ledermäppchen hervor, das er aufklappte. Beinahe gelangweilt begann er zu schreiben, listete die Zutaten für einen Drink auf und notierte das Mischungsverhältnis.
»Sie sind wirklich immer noch ein Teufel«, flüsterte Patricia.
Amos sah sie fast mitleidig an. Er ließ das beschriebene Blatt wie zuvor das leere Glas zu Mostache schweben und schnipste mit den Fingern. »Das möchte ich jetzt trinken«, verriet er.
»Schauen Sie, es ist doch ganz einfach«, sagte Amos. »In all diesen Dokumenten ist nirgendwo erwähnt, daß auch Zamorra unter den Toten zu finden ist. Schön, er trägt eine belgische Uniform, und es heißt, daß alle Soldaten in diesem Bereich starben, weil es wohl einer der ersten Giftgasangriffe überhaupt war. Aber es gibt Namenslisten. Da Zamorra eine Uniform trägt, müßte er erfaßt sein. Ist er aber nicht.«
»Das besagt nichts«, entgegnete Patricia. »Er wird sich kaum als Freiwilliger gemeldet haben. Vielleich ist die Uniform nur Tarnung.«
Amos winkte gelangweilt ab. »Zamorra hat schon oft Zeitreisen unternommen«, sagte er. »Er hat es früher getan, und er wird es auch in Zukunft tun…«
»Nicht, wenn Sie ihn vor die Hunde gehen lassen«, stieß Patricia hervor. »Dann kommt er nie in diese Zeit zurück.«
»Er wird es auch in Zukunft tun«, fuhr Sid Amos ungerührt fort. »Wer sagt Ihnen, geschätzte Lady Saris ap Llewellyn, daß das hier«, er deutete auf die Diskette, »nicht das Resultat einer ganz anderen Zeitreise ist? Eine, die er erst in ein paar Jahren in Angriff nimmt oder die er früher schon einmal unternommen hat? Weder ich noch Sie wissen von allen seinen Unternehmungen, oder hat er Ihnen sein Tagebuch zum Lesen gegeben, falls er überhaupt eins führt?«
»Warum habe ich das Bild dann ausgerechnet jetzt entdeckt?«
»Warum ist Rom erbaut worden?« gab Amos ungerührt zurück.
»Das ist keine Antwort!«
»Trotzdem steht Rom, und trotzdem haben Sie das Bild entdeckt. Sie hätten auch jedes andere Buch aus dem Regal fischen können. Vielleicht den Koran oder die Bibel. Es ist reiner Zufall.«
»Unser ganzes Leben ist von Zufällen bestimmt.«
»Eben.« Amos grinste. Er sah zur Theke hinüber, wo Mostache grübelte und mit recht zweifelndem Gesichtsausdruck den von Amos beschriebenen Drink zusammenmixte. »Sie scheinen ja ein gewaltiges Interesse an Zamorras Wohlergehen zu haben«, fuhr er fort. »Sie haben sich doch nicht etwa in ihn verliebt?«
»Er ist mein Freund«, sagte sie zornig. »Vielleicht der beste Freund, den ich jemals hatte. Und er war der Freund meines verstorbenen Mannes. Er hat viel für uns getan, er hat alles für uns getan, was er tun konnte. Und deshalb will ich nicht, daß er in der Vergangenheit stirbt. Jemand muß ihm helfen.«
Sie lehnte sich zurück. »Aber offenbar sind Sie nicht die richtige Person dafür. Begriffe wie ›Freundschaft‹ gibt es in Ihrem Wortschatz wohl nicht. Packen wir es also anders an: Was ist der Preis dafür, daß Sie ihm helfen? Meine Seele?«
Sid Amos lachte leise und schüttelte verwundert den Kopf. »Ihre Seele… O LUZIFER! Ich glaube, Sie haben eine viel zu romantische Vorstellung von mir, und nicht nur von mir, sondern auch von meinesgleichen. Glauben Sie im
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