0518 - Höllenparadies
stiller Wald, in Kälte erstarrt, auf den Frühling hoffend.
Die Vogelhäuschen hatte Malone selbst angefertigt und in die Bäume gehängt. Seine gefiederten Freunde wußten bereits, daß er unterwegs war. Kaum hatte er das nahrhafte Futter gestreut, da kamen sie an und machten sich über die Nahrung her.
Malone freute sich darüber. Er schaute ihnen für eine Weile zu, bevor er zum nächsten Vogelhäuschen ging.
Dreimal streute er insgesamt, dann war der Sack leer. Rick Malone begab sich auf den Rückweg. Bisher hatte ihm der Wind in den Rücken geweht, jetzt kam er von vorn, und er blies hart gegen sein Gesicht. Die Kälte war beißend. Sie drang durch, als wollte sie ihm die Haut vom Gesicht abschälen. Von der Oberfläche trieb der Wind zahlreiche Flocken hoch, drehte sie zu Kreiseln und wirbelte sie dem einsamen Wanderer entgegen, hüllte ihn ein.
Malone zog den Schal höher. Das Wetter sah nicht gut aus. Der klare Winterhimmel war verschwunden. Graue Wände aus gewaltigen Wolkenformationen hatten sich über das Firmament geschoben und machten den Tag fast zur Nacht.
Die Natur duckte sich noch mehr. Fast übergangslos ließ auch der Wind nach, er schlief völlig ein, und Malone kannte dieses Zeichen sehr genau.
Immer dann, wenn ein Sturm oder ein Orkan über das Land fegte, war es zuvor windstill.
Nur seine eigenen Schritte vernahm er. Jeder Tritt hinterließ unter der Sohle eine bestimmte Musik.
Malone hatte den Wald verlassen und bewegte sich am Ufer des Sees entlang.
Eine glatte Fläche aus Eis lag vor ihm. Das andere Ufer zeichnete sich als grauer Wall ab und schien mit den tiefhängenden Wolken eine Einheit zu bilden.
Die Umgebung war klar und verschwamm trotzdem. Es lag an der unnatürlichen Dunkelheit, die dem Sturm voranging. Der Schal rutschte über das Kinn des Mannes.
Malone hatte es plötzlich eilig. Er kannte den Grund selbst nicht, aber etwas war in ihm, das ihn antrieb. Ein Motor, der auf Hochtouren lief. Er spürte plötzlich das Gewicht seiner Waffen.
Dann sah er sein Haus. Er hatte es an den Waldrand gebaut. Die Bäume kamen ihm zu allen Jahreszeiten wie Beschützer vor. Jetzt flößten sie ihm ein unangenehmes Gefühl ein, als hätten sie eine traurige Botschaft für ihn.
Auch die Umrisse des Hauses verschwammen mit dieser ungewöhnlich grauen Luft. Da war nichts mehr so kalt wie beim Verlassen des Hauses.
Dennoch wunderte er sich über eine Tatsache.
Senta lag noch vor der Tür.
Sie hätte ihm längst entgegenlaufen müssen, weil sie ihn einfach gewittert haben mußte.
Auf einmal war die Faust da. Sie hämmerte in seinen Magen und blieb auch dort wie ein gewaltiger Druck. Es stieg in seiner Kehle hoch. Ein heißer Strom wie glühende Lava.
Malone rannte plötzlich und wußte, daß er einen Fehler gemacht hatte. Fast wäre er gestürzt, mit wild rudernden Arm- und Beinbewegungen konnte er sich wieder fangen, erreichte er den Vorbau, seinen Hund – und sah das Blut. Senta lag da mit durchgeschnittener Kehle.
Malone wußte sofort Bescheid.
Willy war hier!
***
Rick Malone, der knochenharte Mann, der durch zahlreiche Höllen gegangen war, schämte sich seiner Tränen nicht. Gleichzeitig wußte er, daß er einen Fehler beging, er stand in seiner gebückten Haltung wie auf dem Präsentierteller, aber das war ihm in diesen Augenblicken völlig egal. Er mußte den Schmerz einfach loswerden.
Mit beiden Händen strich er durch Sentas Fell. Er stammelte Worte, die er selbst nicht verstand, sinnloses Zeug, herausgepreßt aus einer unendlichen Trauer.
Senta war nicht mehr, und Willy hatte seine erste blutige Spur hinterlassen.
Willy, der Schädel, der Killer!
Der Name brannte sich in Malones Gehirn ein wie ein glühender Nagel. Er sorgte dafür, daß die Trauer verschwand. Das Gefühl kippte von einem Moment zum anderen.
Plötzlich durchströmte den Mann etwas anderes. Kalte Wut und gleichzeitig ein brennender Haß.
Er richtete sich auf. Diese Bewegung hätte auch von einem Raubtier stammen können, so lauernd war sie. Er sicherte auch gleichzeitig nach allen Seiten, denn Willy war ein Hundesohn, der killte auch Menschen, die ihm den Rücken zudrehten.
Ein ungewöhnlicher Laut schreckte Malone auf. Er war über ihm erklungen, dort aber befand sich nur das Dach.
Steckte der Killer etwa da oben?
Das Geräusch wiederholte sich. Jetzt erkannte es Rick Malone auch. Es hörte sich an, als würde eine gefrorene Schneelast vom Dach rutschen.
Malone wollte es genau wissen. Er
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