0518 - Höllenparadies
geschützt wurde. Von ihm war kaum etwas zu sehen, bis auf eine kleine runde Öffnung an der Seite. Sie stieß durch das dichte Fell des Bernhardiners und wies in die Hütte.
Rick Malone wußte, daß ihm so gut wie keine Zeit mehr blieb, wenn er sein Leben retten wollte. Willy hatte ihn tatsächlich reingelegt, er schoß auch.
Ungezielt, die Sicht war ihm etwas genommen worden. Trotz seiner Verletzung warf sich Malone nach rechts über die Sessellehne hinweg, prallte zu Boden und spürte die wahnsinnigen Schmerzen in seiner Schulter, während nicht allzuweit von ihm entfernt die Kugeln in die Holzdiele des Fußbodens fetzten.
Es war die Hölle.
Willy schoß und kicherte, versteckte sich hinter dem toten Hundekörper, der ihm aber zu schwer wurde, so daß er ihn mit einer Hand nicht mehr halten konnte.
Die Deckung rutschte weg.
Malone lag am Boden. Auf dem Rücken und gleichzeitig etwas aufgerichtet.
Sein Magnum-Revolver war ihm aus den Fingern gerutscht. Dafür hatte er die Waffe gewechselt und den Flammenwerfer genommen.
Er mußte es tun!
Die Gestalt des Killers hob sich auf der Schwelle ab wie ein gemaltes Bild. Vor seinen Füßen lag der erschlaffte Hundekörper. Willy selbst stand da und schwenkte die Waffe, er suchte die freie Schußbahn – und kam nicht mehr dazu, abzudrücken.
Malone war schneller.
Und mit ihm das Feuer!
Der Flammenwerfer fauchte auf wie ein urweltliches Ungeheuer, als er seine mörderische Ladung ausspuckte. Er war von Malone etwas bewegt worden, so daß er die Gestalt auch erwischen mußte.
Der gellende Schrei und das Fauchen der Flamme bildeten eine makabre Akustik. Willy stand nicht mehr still. Er riß beide Arme hoch, schleuderte die MPi fort und wankte hinaus in die eisige Winterwelt.
Als brennende Gestalt hob er sich vor dem Schnee ab, der durch die Hitze unter seinen Füßen wegtaute.
Malone hatte sich aufgerichtet. Er wußte, daß keiner diesem Menschen noch helfen konnte, das Feuer würde ihn zerstören. Willy trug daran die Schuld, aber es ging nicht so glatt, wie Rick es sich vorgestellt hatte. Plötzlich war da etwas, das er in seinen kühnsten Träumen nicht für möglich gehalten hätte.
Hinter Willy entstand ein gewaltiges Gebilde. Es wuchs aus dem Boden und nahm allmählich Konturen an.
Ein hellblaues, gewaltiges Auge, groß wie ein Haus, mit einer dunkelblauen Pupille. Die Pupille sog die brennende Gestalt förmlich auf.
Die Füße hoben vom Untergrund ab. Willy fand keinen Halt mehr.
Er fand seinen Weg in das unheimliche Auge, in der Mitte der Pupille, und seine Gestalt wurde klein wie ein Finger.
Dann war sie verschwunden.
Aus – vorbei!
Das Auge verschwand. Es löste sich einfach auf.
Nichts blieb zurück.
Nur ein Mann, der auf dem Rücken lag, keuchend atmete und die Welt nicht mehr verstand. Seine Schmerzen waren vergessen, er spürte einen inneren Druck, das überhöhte Schlagen seines Herzens, das Brennen in den Augen, das Zucken der Mundwinkel und den harten Druck im Magen.
Willy war erledigt und gleichzeitig verschwunden. Wer würde ihm das glauben?
Wie lange Rick auf den harten Bohlen gelegen und in die Kälte gestarrt hatte, wußte er selbst nicht zu sagen. Irgendwann richtete er sich auf, schloß die Tür und warf sich in seinen Sessel. Dort blieb er zunächst hocken.
Erst in den frühen Morgenstunden und nach einem kurzen Schlaf rappelte er sich wieder hoch. Malone hatte sich entschlossen, die Hütte zu verlassen und nach London zu fahren. Er mußte James Powell von seinen Erlebnissen berichten, und es war fraglich, ob ihm sein ehemaliger Kollege auch glaubte.
Der Wagen sprang an. Es war nicht einfach, ihn nur mit einer Hand zu lenken. Später, als er eine Straße erreichte, klappte es besser. Trotzdem bekam er seine Schwierigkeiten, weil der Asphalt von einer dünnen Eisschicht überzogen war.
Malone schaffte es.
In London fuhr er zu einem Krankenhaus, wo man seine Wunde behandelte und ihm der Arzt erklärte, daß er auch nicht länger hätte warten dürfen.
»Das weiß ich. Und jetzt, Doc, rufen Sie einen gewissen James Powell an! Er ist beim Yard und…«
Mehr sagte Rick Malone nicht. Die Erschöpfung hatte ihn einschlafen lassen…
***
Es kam nicht oft vor, daß ich mich mit meinem Chef, Sir James Powell, außerhalb der normalen Dienstzeit traf. Wenn es einmal passierte, dann zumeist in seinem Club, aber in einem Restaurant, wie es an diesem späten Nachmittag der Fall war, das konnte man schon als sehr ungewöhnlich
Weitere Kostenlose Bücher