052 - Die Schlangengrube
zögerst du noch?«
Diese Sprache verstand Luis. Er hatte Respekt vor Raffael. Wütend packte er die zeternde Natalie, die Stein und Bein schwor, sie hätte niemals etwas mit dem Freak gehabt, und zerrte sie aus dem Verschlag. Nebenan jammerten Luis' Eltern, der alte Rosario und seine Frau, über die Schande, die sie erleben mussten.
»Dieses Weib bringt uns noch ins Grab«, hörte Dorian den alten Rosario rufen.
»Fünf Kinder hat sie, und sogar mit einem Freak treibt sie es«, schrie seine Frau.
Dorian Hunter nahm die gnostische Gemme vom Hals und wandte sich dem Freak zu.
Kaum dass der Nadelkopf die gnostische Gemme erblickt hatte, stieß er einen Schrei aus, schlug die winzigen Hände vor den apfelgroßen Kopf und jammerte. Dorian nahm noch das Silberkreuz aus der Tasche und Phillip näherte sich dem Freak von der Seite her. Seine Augen strahlten wie pures Gold, sein Gesicht war verklärt.
Der Freak brach in die Knie, zuckte und wand sich.
»Ich denke, da haben wir unseren Dämon«, sagte Dorian Hunter.
Weihwassertropfen trafen den Freak, Brandblasen bildeten sich auf seiner Haut. Ein scheußliches Geheul kam aus dem Mund des Nadelkopfs.
Dorian Hunter ließ nicht locker. Er sprach Formeln der Weißen Magie und beschrieb mit Kreuz und gnostischer Gemme einen Bannkreis um den Freak.
Dieser schrie jetzt abgehackt. Nach einigen Sekunden Pause ertönte ein gellender Schrei. Schaum quoll aus seinem Mund. Er quälte sich auf die Knie, aber der auf den Boden und in die Luft gezeichnete Bannkreis hielt ihn.
Da polterte es draußen an die Tür des Verschlags. Phillip trat zu dem Freak und streckte die Hände über ihm aus. Der Freak stürzte zu Boden. Seine Arme und Beine zuckten und manchmal bäumte er sich auf.
»Pass auf ihn auf, Phillip!«, sagte Dorian.
»Schwarzes Blut«, sagte der Hermaphrodit, der wie immer keine zusammenhängenden Erklärungen abgab. »Fluch und Schande. Erfüllung.«
Dorian hatte keine Zeit, an dem Orakelspruch herumzudeuten. Er öffnete die Tür. Raffael stand draußen, auf seinen Sohn Matteo und den Wolfsmenschen Gunter gestützt. Sein Gesicht war bleich und zu einer Grimasse des Schmerzes verzerrt. Er konnte sich allein nicht auf den Beinen halten. Hinter ihm drängten sich die anderen Mitglieder der Sippe, fast vollzählig. Auch Lucia mit zwei Schlangen um den Hals war da.
»Kommen Sie herein, Amalfi!«, sagte Dorian Hunter. »Wir haben den Dämon. Die anderen sollen draußen bleiben.«
»Dieser Lump von einem Freak hat mit meiner Frau geschlafen«, heulte Luis im Hintergrund. »Und nicht nur einmal. Zum Narren hat er mich gemacht. Erschlagen werde ich ihn.«
»Halt den Mund, Luis!«, sagte Raffael. »Das regeln wir noch. Jetzt geht es um andere Dinge.«
So groß war seine Macht über die Sippe, dass Luis verstummte. Er maulte und brummte zwar noch, wagte aber kein lautes Wort mehr.
Matteo und Gunter führten Raffael in den ohnehin schon engen Verschlag, in dem sich jetzt die Menschen drängten. Dorian Hunter schloss die Tür ab.
»Das ist der Dämon«, sagte er und deutete auf den Freak, der am Boden lag und zuckte.
Er berührte die Stirn des Freaks mit einem silbernen Kreuz. Ein schwarzes Wundmal erschien, ein Schrei gellte durch den Wagen.
»Tatsächlich.« Raffael staunte. »Das hätte ich nicht gedacht, dass Sie Erfolg haben würden, wo wir schon seit vielen Monaten vergeblich alles Mögliche versucht haben, Hunter.«
Plötzlich krümmte er sich zusammen. Hätten Matteo und Gunter ihn nicht gehalten, wäre er zu Boden gestürzt. Er biss die Zähne zusammen, dass es knirschte und die Wangenmuskeln wie Stränge hervortraten.
»Mein Leib!«, ächzte er. »Diese Schmerzen sind furchtbar. Wie Ruhr und Magendurchbruch zugleich. Ich hatte schon öfter Schmerzen – aber so schlimm war es noch nie.«
Er konnte die Worte nur noch stoßweise hervorbringen. Sein Gesicht war totenbleich; viele kleine Schweißtröpfchen erschienen darauf. Es dauerte eine ganze Weile, bis der Anfall etwas abflaute.
»Bei diesen Schmerzen möchte ich am liebsten den Beruf wechseln«, stöhnte er.
»Sollen wir dich in deinen Wohnwagen zurückbringen, Vater?«, fragte Matteo besorgt.
»Zuerst muss über den Dämon entschieden werden. Wer ist Ihr Freund, Hunter?«
»Einer, den die Dämonen mehr fürchten als alles andere. Er heißt Phillip.«
»Willkommen, Phillip!«, sagte Raffael. »Danke für deine Hilfe. Auch Ihnen danke ich, Dorian Hunter, wenn ich Ihre Hilfe auch zuerst ausgeschlagen
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