052 - Die Schlangengrube
Methode gelesen, einen Dämon zu entlarven«, sagte sie. »Die Verdächtigen wurden einer so genannten Feuerprobe unterzogen und mit Fackeln gebrannt. Der Dämon glaubte, es ginge ihm ans Leben, nahm seine wahre Gestalt an und konnte gebannt und getötet werden.«
»Eine fantastische Idee!«, sagte Dorian. »Und die Unschuldigen, die auch der Feuerprobe unterzogen wurden, waren wohl für alle Zeit entstellt oder kamen gar ums Leben?«
»Nein, nein. Sie glaubten nur, dass es ganz schlimm werden würde. In Wirklichkeit wurden sie nur ein wenig angesengt.«
Dorian griff zum Nachtisch, einem Schokoladepudding mit Nüssen, den Miss Pickford hervorragend zuzubereiten wusste.
»Bleiben Sie lieber bei Ihren Kochtöpfen, Miss Pickford!«, sagte der Dämonenkiller. »Soll ich vielleicht alle achtundzwanzig Mitglieder der Amalfi-Schau entführen und versengen?«
Am Nachmittag sprach Dorian mit Coco, Trevor Sullivan und Phillip. Das Gespräch mit Phillip war das schwerste. Wohl acht Mal erklärte Dorian Phillip, was er von ihm wollte, aber der Hermaphrodit lächelte nur unergründlich.
Die meiste Zeit des Nachmittags ruhte Dorian sich dann aus. Er schmiedete keine großen Pläne. Bei der Dämonenbekämpfung passierten ohnehin immer unvorhergesehene Sachen.
Am späten Nachmittag begann es zu schneien. Dorian fuhr mit Phillip und dem Puppenmann Don Chapman los. Der Dämonenkiller hatte sich eine andere gnostische Gemme um den Hals gehängt. Außerdem trug er ein silbernes Kreuz und einen kleinen Weihwasserflakon in der Tasche. Don Chapman hatte die gleiche Ausrüstung bei sich, in Miniaturausgabe allerdings. Er hatte auch noch eine kleine Pistole, mit der er sich gegen Haustiere wie Hunde und Katzen verteidigen konnte, die für ihn sehr gefährlich waren.
Auf dem Rummelplatz herrschte schon einiger Betrieb, trotz des Schnees. Dorian fuhr den Rover in die Nähe der Wohnwagen und des Schauzeltes der Amalfis. Er ließ Phillip und Don Chapman einige Minuten im Wagen sitzen und ging erst allein auf den Rummelplatz.
Ein alter Mann hatte eine Würfelbude. Die Spielregeln waren einfach.
Dorian verlor zweimal und gewann einmal. Der Alte strich immer eilig den Gewinn ein. Dorian legte eine Pfundnote hin.
»Wollen Sie ein ganzes Pfund setzen?«, fragte der Alte.
»Nein, das können Sie sich anders verdienen. Ich interessiere mich für die Amalfis.«
Der Alte sah sich um. Es war gerade niemand in der Nähe.
»Ein Pfund ist wenig«, sagte er. »Diese Zigeuner sind gefährliche Burschen. Denen sitzt das Messer locker.«
Dorian legte eine zweite Ein-Pfund-Note dazu. »Sie gehen überhaupt kein Risiko ein. Entweder Sie erzählen mir etwas und nehmen die zwei Pfund – oder Sie lassen es bleiben.«
»Nun gut. Also, mit diesen Zigeunern wollen die anderen Schausteller nicht viel zu tun haben. Die Amalfis sind verrufen. Sie sollen stehlen, heißt es, und kreuz und quer durch die Sippe Unzucht treiben. Die Natalie Amalfi hat sich mit einem jungen Burschen von Dendersons Schiffsschaukel eingelassen, obwohl sie fünf Kinder hat. Irgendwie ist der Mann dahinter gestiegen. Jedenfalls kamen am Mittwochabend statt Natalie und Luis zwei von den Söhnen Raffaels zum Treffpunkt. Sie haben den Schiffschaukelburschen verprügelt, dass er nicht wiederzuerkennen war. Nun, das mag noch angehen, aber der Schießbudenbesitzer Hobie Dufford interessierte sich ganz harmlos für Lucia. Er hatte wirklich nichts mit ihr im Sinn. Er wollte sich eben nur mal die Schlange ansehen, die sie um den Hals trug. Sie hatte auch gar nichts dagegen. Da kam Matteo und fuhr Hobie Dufford grob an. Ein Wort ergab das andere, und schließlich zog Amalfi das Messer und verletzte Hobie Dufford am Arm. Die Messer der Amalfis sind höllisch scharf. Hobies Unterarm war vom Handgelenk bis zum Ellbogen aufgeschlitzt.«
»Wurde die Polizei gerufen?«
»Wo denken Sie hin, Mister? Wir Schausteller machen unsere Differenzen unter uns aus. Die Amalfis werden seither geschnitten.«
Mit diesem Klatsch konnte Dorian wenig anfangen.
»Gibt es sonst noch Gerüchte über die Amalfis? Vielleicht, dass bei ihnen nicht alles mit rechten Dingen zugeht?«
»Wie meinen Sie das? Weil sie eine Hellseherin bei sich haben?«
»Die alte Zarina sieht man kaum. Über sie kann ich nichts sagen. Auf ihre Prophezeiungen würde ich allerdings nicht mehr geben als auf die anderer Wahrsagerinnen – nämlich nichts.«
Dorian nahm die Hand von den beiden Pfundnoten. Der Würfelbudenmann strich sie ein.
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