Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
0520 - Das blaue Einhorn

0520 - Das blaue Einhorn

Titel: 0520 - Das blaue Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
Vom Netzwerk:
blühenden Gräser, der leichte Wind und die Ansammlung von Felsen. Es konnte so bleiben. Da war nichts, was ihm nicht gefiel, was er vielleicht hätte verändern wollen.
    Bis auf den nähergerückten Horizont. Vorher war da der Eindruck von Unendlichkeit gewesen, was seiner manchmal ein wenig verlorenen Stimmung entsprach. Aber durch das Begrenzen fand die Traumwelt festere Konturen und wirkte realistischer.
    Er fragte sich, wie das andere es fertiggebracht hatte, den Traum so zu manipulieren, daß Nicole Duval hineingezogen werden konnte. Anderen Lebewesen Zutritt in seine Traumsphären zu erlauben, war nur Julians ureigenstes Privileg. Das andere hatte sich ein Vorgehen angemaßt, das ihm nicht stand.
    Julian verließ die blühende Grasebene und schritt durch den schmalen Spalt zwischen den Felsblöcken hindurch auf das kleine Plateau zwischen den braunen, aus der Erde aufragenden Monoliten. Er lächelte; da waren sogar die Hufeindrücke des Einhorns im Boden. Julian sah hinüber zur anderen Seite; da kauerte reglos, in Stasis gefroren, die Traum-Stygia, die er jenen gezeigt hatte, die von seinem Traum berührt worden waren.
    Diesmal wandte er den Traum nicht an Zamorra, Zamorras Freunde und die Amulett-Träger. Er wollte das andere in die Finger bekommen. Er mußte es erreichen und in seine Traumwelt zwingen. Hier konnte dann die magische Auseinandersetzung stattfinden.
    Aber vielleicht kam dieses fremde Wesen schon von selbst; vielleicht würde er es gar nicht zu sich zu holen brauchen.
    In der Ferne hörte er Hufschlag.
    Das Einhorn kam.
    ***
    Das WERDENDE fühlt einen suchenden Geist. Er tastete sich heran, langsam, forschend, unaufhaltsam. Hatte ES einen Fehler begangen? War der Träger des 7. Amuletts ihm auf die Schliche gekommen? Aber wie konnte ES sich enttarnt haben?
    ES spürte die unangenehme Präsenz des anderen. Vielleicht war es besser, ihm auszuweichen. Wer ins Leere stieß, konnte nicht fündig werden. Merlins Vasall würde die Suche von selbst wieder aufgeben, wenn er keinen Erfolg sah; er würde sich nicht ewig in dieser Sphäre bewegen.
    Und es konnte auch nicht schaden, einmal wieder die Welt des Träumers durcheinanderzubringen und ihn zu reizen. Er verhielt sich viel zu ruhig. Das WERDENDE an seiner Stelle hätte längst zurückgeschlagen.
    ES drang wieder in Julians Traum ein.
    Aber ES hinterließ dabei eine Spur.
    ***
    Zamorra hatte sich in Halbtrance versetzt, um sich völlig auf das Amulett konzentrieren zu können und darauf, was er von der Silberscheibe wollte. Er steuerte die gewünschte Funktion mit Gedankenbefehlen an, verstärkt durch manuelle Manipulationen. Dabei stellte er fest, daß er mit der Zeit eine gewisse Scheu davor entwickelt, die erhaben gearbeiteten Hieroglyphen mit leichtem Druck der Fingerkuppe zu verschieben. Es war ein seltsames Phänomen: einerseits waren die seltsamen Schriftzeichen fest, andererseits konnten sie aber millimeterweit bewegt werden und lösten dabei jeweils eine bestimmte magische Funktion aus, um sofort wieder in ihre ursprüngliche Position zurückzukehren. Obgleich Zamorra das Amulett nun schon eine kleine Ewigkeit lang besaß und benutzte, hatte er bisher nur einen Bruchteil dessen herausfinden können, wozu die Silberscheibe imstande war, welche weitergehenden magischen Möglichkeiten sie noch in sich barg. Merlin selbst schwieg sich dazu aus.
    Es fiel Zamorra mittlerweile auch um so schwerer, den Begriff »Funktion« zu verwenden, je öfter das Amulett sich telepahtisch bemerkbar machte. Das künstliche Bewußtsein, die künstliche Intelligenz, die irgendwann entstanden war und nun immer stärker in Erscheinung trat, wuchs sich in seiner Vorstellung mehr und mehr zu einem eigenständigen Lebewesen aus. Dabei mußte er sich in Erinnerung rufen, daß es sich doch nur um ein magisches Wunderwerkzeug handelte, zur Zeit des ersten Kreuzzuges von Merlin aus der Kraft einer entarteten Sonne geschaffen.
    Jetzt, da Zamorra drängte, schien sich das Amulett-Bewußtsein regelrecht einzukapseln. Es zog sich vor Zamorra zurück, schien den Kontakt zu scheuen.
    Aber er konnte den »mechanischen Teil« zwingen, das zu tun, was er wollte: einer Spur folgen, die entstanden sein mußte, als der falsche Julian vom Amulett berührt wurde und verschwand. Zamorra versenkte sich mental in die Amulett-Magie, wurde eins mit ihr und stöberte so etwas wie Erinnerungsfragmente auf, und er stieß zu seiner Überraschung auf etwas, das ihm bekannt erschien. So, als habe

Weitere Kostenlose Bücher