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0520 - Das blaue Einhorn

0520 - Das blaue Einhorn

Titel: 0520 - Das blaue Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Kurt Giesa
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für die fremde Entität unbrauchbar machte. Aber im gleichen Moment straffte sich der blaue Pferdekörper. Die Muskeln spannten sich, und mit ungestümer Wucht schnellte sich das Einhorn mit gesenktem Kopf auf Julian zu, um ihn mit dem spitzen Stirnhorn zu durchbohren!
    ***
    »Du siehst erschöpft aus«, stellte Nicole Duval fest. »Bleich wie ein Eisbär beim Winterurlaub am Polarkreis. Allerdings habe ich noch nie Eisbären mit so großen Augenringen gesehen! Kannst du überhaupt noch gehen oder stehen?«
    Nachdem es mittlerweile eine gute Stunde lang still im »Zauberzimmer« gewesen war, hatte Nicole sich bemüßigt gefühlt, nach ihrem Geliebten und Chef zu sehen. Er sah aus, als hätte er mehrere Tage hintereinander nicht geschlafen. Als er sich jetzt erhob, wehrte er ihre Hilfe ab. Seine Knie waren tatsächlich weich.
    »Ich gehöre zu der Rasse, die den aufrechten Gang erfunden hat«, brummte er. »Also kann ich auch stehen und gehen. Jederzeit. Bloß habe ich einen Bärenhunger.«
    Das verriet ihm selbst, wie es um ihn bestellt war. Er mußte eine ungeheure Menge an psychischer Energie abgegeben haben, und das alles nur, um eine dünne, äußerst vage Spur zu finden. Der Aufwand an psychischer Energie war dem der körperlichen Kraft vergleichbar. Es kam zu Kalorien- bzw. Substanzverlusten. So, wie Zamorra sich fühlt, hatte er während seines Experimentes wenigstens zwei Kilo an Gewicht verloren. »Man rufe die Sklaven«, sagte er, »auf daß sie mich direkt in die Speisekammer führen. Irgendwo wird' ja hoffentlich noch ein gefüllte Wildschwein herumlaufen…«
    Nicole grinste ihn frech an. »Willst du dich etwa selbst verzehren?«
    »Schweige, vorlautes Weib«, ächzte er.
    Sie rieb ihren Kopf an seiner Schulter. »Was zahlst du an Schweigegeld? Ich bin recht bestechlich…«
    Zamorra seufzte. »Wenn der olle Adam geahnt hätte, was der liebe Gott aus seiner Rippe machen würde, wäre er vermutlich vorher aus der Kirche ausgetreten. Wenn du gewillt bist, andächtig meinem formvollendeten Schmatzen zu lauschen, werde ich zwischen den Kaubewegungen verraten, was ich bei meinem Experiment herausgefunden habe. Aber laß dich warnen - viel ist es nicht. Mann, ich komme fast um vor Hunger…«
    In der Vorratskammer, in der normalerweise abwechselnd die aus dem Dorf zum Château heraufkommende Köchin und Raffael Bois schalteten und walteten, griff Zamorra großzügig zu und stellte sich einen Imbiß zusammen, vor dem selbst eine Hobbit-Familie kapituliert hätte. Aber noch während er futterte wie ein Scheunendrescher, klingelte das Telefon. Nicole folgte Raffaels Durchruf und verschwand in Richtung Arbeitszimmer.
    Nur ein paar Minuten später tauchte sie wieder auf. Sie war in Stiefel und Felljacke geschlüpft und hatte auch Zamorras Lederblouson mitgebracht. Erstaunt sah er sie an. »He, für den Verdauungsspaziergang ist es noch zu früh. Ich bin noch lange nicht fertig.«
    »Wir müssen ins Dorf«, sagte Nicole. »Mostache liegt im Sterben!«
    ***
    Julian brachte sich mit einem gewagten Sprung in Sicherheit. Das spitze Horn verfehlte ihn knapp, aber der Pferdekörper streifte noch seine Beine, so daß aus dem Sprung ein Fiasko wurde. Der Träumer stürzte schwer, und als er sich wieder aufrichten wollte, raste ein schmerzhafter Stich durch seinen linken Knöchel.
    Verstaucht oder gebrochen!
    Das Einhorn wirbelte herum und griff erneut an. Julian war überrascht wie schnell es sich bewegte. Er hatte mit Pferden nie sonderlich zu tun gehabt; er wußte, daß sie existierten und wie sie aussahen. Mehr aber auch nicht. Er rollte sich zur Seite, auf den Felsen zu, und das gehörnte Pferd wich in die andere Richtung aus, um nicht mit dem massiven Stein zu kollidieren. Auch wenn es sich nur um eine von Julian kraft seiner Gedankenvorstellung geschaffene Traunrwelt handelte, so war doch, befand man sich erst einmal in ihrem Inneren, alles äußerst real beziehungsweise realistisch, ganz anders wie in einer per Computer erzeugten virtual reality des beginnenden »Cyberspace-Zeitalters«. Was wie ein fester Stein aussah, war auch ein fester Stein; man prallte dagegen und schlug sich die Nase platt, statt nur für einen Zusammenbruch des Programms zu sorgen.
    Der einzige Vorteil, den Julian als Akteur in dieser Welt hatte, war der, daß er selbst Veränderungen »im Programm« vornehmen konnte. Aber dazu brauchte er doch mehr Ruhe, als der Schmerz in seinem Fuß und die Angriffe des Einhorns ihm zugestanden.
    Er

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