0521 - Invasion der Ghouls
Zamorra! Mellais, Staatsanwalt Gaudians Assistent, hat mir gerade böse grinsend ein Revolverblatt auf den Schreibtisch geknallt. Ist Gaudian wohl auch gerade erst in die Hände gefallen. Zamorra, soll ich dir sagen, was in diesem Schmierblatt steht?«
»Laß mich raten«, sagte Zamorra. »Friedhöfe von ›Leichenfressern‹ heimgesucht. Lyon, Menarques Grab, Chefinspektor Robin…«
»Was hast du dir bei diesem Dreck gedacht, Zamorra? Ich bin nicht gestern abend zu euch gekommen, um diesen Fall und mich heute in der Zeitung wiederzufinden! Weißt du überhaupt, was du damit ausgelöst hast?«
»Moment mal«, unterbrach Zamorra den wütenden Chefinspektor. »Pierre, glaubst du im Ernst, ich hätte die Story an einen Reporter weitergegeben?«
»Von wem soll er’s denn sonst haben?«
»Dann denk mal logisch«, gab Zamorra zurück. »Der Name des Toten wird erwähnt. Den hast du uns gestern aber nicht genannt, sondern wir haben ihn heute erst in deiner Akte gelesen. Außerdem ist ja nicht nur von Lyon die Rede, sondern auch noch von ein paar anderen Käffern, und hier bei uns haben wir auch schon einen Fall, bloß steht der noch nicht in diesem Blut-und Boden-Blättchen! Schick jemanden zur Redaktion, laß dir den Reporter geben, und wenn dem nach bewährter Polizeimanier klargemacht wird, daß es mit Pressefreiheit und Quellenschutz nicht soweit her ist, wie er glaubt, wird er euch den Informanten wohl auch ohne Folter preisgeben…«
»Zamorra, du scheinst eine grundfalsche Vorstellung von dieser ›bewährten Polizeimanier‹ zu haben. Wenn der Mann seine Quelle nicht preisgeben will, können wir nichts tun. Du warst dieser gottverfluchte Schweinehund also wirklich nicht?«
»Muß ich es dir auch noch schwören, Chefinspektor Pierre Robin?« gab Zamorra frostig zurück. »Ich würde mir doch selbst alles in Scherben schlagen, wenn ich mit dieser Geschichte zur Presse ginge! Der Reporter muß seine Insider-Informationen aus anderer Quelle bezogen haben, und ich wette, er sitzt ziemlich nah dran! Sucht mal im eigenen Stall. Aber daß nicht nur Lyon betroffen ist, sondern auch andere Ortschaften im Umkreis von mehr als fünfzig Kilometern, macht die Sache problematisch. Wenn du deinen Blutdruck wieder unter Kontrolle hast, darfst du mich fragen, was ich jetzt tun werde.«
»Mein Blutdruck ist in Ordnung, Zamorra! Ich werde diesen Reporter in die Mangel nehmen. Wenn du nicht der Informant bist, werde ich mich bei dir entschuldigen. Was wirst du jetzt tun?«
»Meine Aktionen auf Lyon einzuschränken, reicht jetzt nicht mehr«, sagte Zamorra. »Ich werde mir die anderen ›Tatorte‹ ansehen. Wenn du den Reporter befragst, will ich dabeisein. Vielleicht hat er noch Fakten, die nicht in seinem Bericht stehen. Was weiter geschieht, hängt von diesen Informationen ab.«
»Dich will ich bei der Sache nicht dabeihaben«, fauchte Robin. »Du weißt, warum. Bleib du erst mal, wo du bist. Ich rufe dich an, sobald ich mit dem Reporter gesprochen habe.«
Es klickte; Robin hatte die Verbindung unterbrochen. Zamorra hielt den Hörer noch in der Hand, als Robins Stimme wieder ertönte. »Verflixt, was ist denn jetzt mit diesem Telefon los? Wieso kriege ich kein Freizeichen?«
»Pardon«, sagte Zamorra. »Ich hatte noch nicht aufgelegt.«
»Dann tu das endlich, Mann, damit ich auch noch mit anderen Leuten telefonieren kann! Solange du die Leitung offenhältst, lande ich immer wieder bei dir, sobald ich hier abhebe!«
Zamorra ließ den Hörer auf die Gabel sinken und kehrte langsam zum Tisch zurück. Er sah Pater Ralph an.
»Wie haben Sie den Ghoul entdeckt?« wollte er wissen.
***
Zamorra starrte in die offene Erdgrube, aus der eine Pumpe in unermüdlicher Sisyphus-Arbeit Wasser pumpte, das auf langen Umwegen doch wieder hineinfloß, verstärkt durch die Regenfälle, die gerade eine kurze Pause eingelegt hatten. »Hier«, sagte Pater Ralph und streckte den Arm aus. »Schauen Sie sich das an. Das ist doch ein Querstollen. Dabei darf es hier gar keinen Querstollen geben. Und wenn, dann läge bestimmt ein Rohr darin. Ich habe die Pläne studiert. Das hier ist irgendwie gegraben worden. Das sind doch Ghouls, die so etwas machen, nicht?«
Zamorra nickte. Er sah über das Gräberfeld. Es war nicht sonderlich groß, der Größe des Dorfes angemessen, aber hübsch gestaltet und gepflegt. Ein kleiner Bagger hatte einen langen Kanal gegraben; daneben lagen Leitungsrohre, die versenkt werden sollten. Der ausgeschachtete Graben
Weitere Kostenlose Bücher