0521 - Teufels-Pferde
ihm sieht es etwas anders aus.«
»Also Mord?«
»Ja.«
»Hast du ihn getötet?« fragte Julie mit schneidender Stimme.
»Hast du ihn umgebracht? Gib jetzt eine Antwort. Es ist deine allerletzte Chance!«
Ahmet spürte die Spitze des krummen Hakens an seiner Kehle.
Sogar einige Blutstropfen liefen über das Metall. Zum erstenmal merkte er, wie es ist, wenn jemand in eine so schlimme Bedrängnis gebracht wird. Normalerweise hatte er dafür gesorgt.
»Ich… ich es war Notwehr«, würgte er hervor. »Ich wollte es nicht, aber dein Großvater …«
»Notwehr?« Julie lachte. »Ich weiß, was dieses Wort bedeutet. Ich habe in meinen wenigen Jahren sehr viel gelernt. Aber ich weiß auch, wie alt und wie schwach demnach mein Großvater war. Du bist stärker, du bist brutaler. Wie kannst du da von Notwehr sprechen?«
»Ha, du kennst ihn nicht. Du kennst deinen Großvater nicht«, erwiderte Ahmet hastig und zu einer regelrechten Verteidigungsrede ansetzend. »Nein, du kennst ihn nicht. Er war wie von Sinnen. Er wollte mich erschlagen, ich mußte mich wehren…«
»Gleich so?«
»Ja, der Haken hier und…«
»Du brauchst nichts mehr zu sagen«, erklärte das Mädchen. »Ich habe alles gehört.«
»Und nun?«
»Kannst du gehen!«
»Wie?«
»Ich lasse dich frei. Ich wollte nur genau wissen, wer meinen Großvater getötet hat.«
Ahmet konnte es nicht fassen. Dann aber wurde ihm seine ungewöhnliche Lage bewußt. »Wie… wie komme ich hier denn weg, verdammt? Ich kann mich nicht bewegen.«
»Doch, jetzt!«
Im Nu war der magische Bann gebrochen. Ahmet fiel von der Decke her steif wie eine Holzlatte dem Boden entgegen, wäre auch aufgeschlagen und hätte sich alles mögliche brechen können, aber Julie fing ihn kurz vor dem Aufprall ab.
Sanft ließ sie ihn landen, und er blieb auf dem Bauch liegen, wobei er noch immer nicht begreifen konnte, daß er mit heiler Haut davongekommen war.
»Willst du nicht aufstehen, Mörder?«
Ahmet hob nur den Kopf an, um Julie ansehen zu können. »Ist das dein Ernst?«
»Natürlich. Ich lasse dich frei. Geh aus dem Haus. Du hast genügend Unglück angerichtet. Verschwinde von hier. Ich… ich will dich nicht mehr sehen.«
»Wenn das so ist…« Ahmet stand auf. Er lachte verlegen und schielte dabei auf Suko. »Also wenn das so ist, dann … dann werde ich jetzt gehen.«
»Du bleibst«, sagte Suko.
Ahmet schrak zusammen. Er drückte sich mit dem Rücken gegen die Wand. »Aber sie hat gesagt, daß ich dieses Haus verlassen kann, zum Teufel! Jetzt sagst du, daß ich…«
»Er ist ein Mörder. Ich kann ihn nicht laufenlassen. Ich werde ihn dem Gesetz übergeben!«
»Ich will aber, daß er geht!«
»Tut mir leid, Julie!« Suko blieb konsequent. »Ich bin Polizeibeamter, das darfst du nicht vergessen. Durch meinen Eid bin ich dem Gesetz verpflichtet. Ich würde es auf den Kopf stellen, wenn ich einen Mörder einfach laufenließe. Noch etwas. Unser gemeinsamer Freund John Sinclair hätte an meiner Stelle ebenso gehandelt. Auch er muß dem Gesetz einfach gehorchen.«
Julie überlegte. »Ich habe mich anders entschieden.«
»Ja!« schrie Ahmet plötzlich, dessen Blick zwischen Julie und Suko hin- und hergeflogen war. »Da hörst du es. Sie will, daß ich gehe, und ich werde gehen. Sie ist hier die Hausherrin, nicht du hast zu sagen, Bulle. Also gehe ich!«
»Du bleibst.« Suko wollte vorgehen und den Arm ausstrecken, da traf ihn Julies Bann.
Es war für ihn so wie für andere Menschen, die in die Magie des Stabes gerieten. Suko konnte sich plötzlich nicht mehr bewegen. Er stand starr auf dem Fleck, bekam alles mit und mußte mit ansehen, wie Ahmet ging.
Nach dem ersten Schritt überlegte er es sich anders. »Moment noch«, sagte er zu Julie. »Dieser Bulle hat meine Kanone. Ich will sie mitnehmen und…«
»Du gehst!«
Der Libyer schrak zusammen, als er die harte Stimme des Mädchens vernahm. Julie hatte so gesprochen, daß sie keinen Widerspruch duldete, und Ahmet fügte sich.
Er nickte. »Schon klar«, sagte er. »Schon alles klar. Ich werde nicht länger hierbleiben. Überlege du es dir, ob du nicht doch mit uns willst. Wir könnten dir…«
»Ich habe mich schon entschieden, Mörder«, erklärte Julie doppeldeutig.
»Ach ja. Dann mach’s gut.« Ahmet lachte dümmlich auf. Er wußte nicht mehr, was er noch sagen sollte und lief geduckt durch den Flur auf die Haustür zu.
Suko blieb auch weiterhin unter dem Bann des Mädchens. Erst als der Libyer verschwunden war,
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