0521 - Teufels-Pferde
und die Pferde erlebt hatte, und ich fragte mich, ob sie durch den endgültigen Tod der Grandi-Schwestern wieder normal geworden war. Ein junges Mädchen, das ohne die Belastung starker Kräfte lebte.
Der Sumpf würde den Mantel des Schweigens und des Vergessens über sie ausbreiten. Sie waren schon jetzt Legende.
Wo aber steckte Julie?
Ich überlegte, was ich an ihrer Stelle getan hätte und kam zu dem Entschluß, daß ich in den Ort geritten wäre. Dort wohnte sie, dort kannte sie sich aus. Sie hatte mir von Buckland in the Moor und ihren Großeltern auf der Fahrt nach Cornwall viel erzählt. Eigentlich gab es nur die eine Möglichkeit.
Den Weg hatte ich mir gemerkt. Es war einfach, den Wald zu verlassen. Vor mir lag die Sumpffläche wie ein grünbrauner Teppich. Jenseits davon führte die Straße her, an der auch Buckland in the Moor lag. Sie konnte ich nicht sehen, da das Gelände an einigen Stellen doch ziemlich wellig war.
Auch den Pfad fand ich wieder. Er führte an einigen Sumpflöchern vorbei, wurde auch mal weicher vom Untergrund her, aber er bedeutete eine relative Sicherheit.
Auf dem Weg sah ich auch die Gestalt.
Zuerst hielt ich sie für ein weggeworfenes Kleidungsstück, bis ich näher herankam und erkannte, daß es sich um einen Mann handelte, der sich nicht bewegte.
War er tot?
Ich war sehr schnell bei ihm, kniete neben ihm nieder und untersuchte ihn.
Nein, er lebte noch. Jemand hatte ihn niedergeschlagen. Unter den eisgrauen Haaren war seine Kopfhaut aufgeplatzt. Aus der Wunde sickerte ein dünner Blutfaden.
Ich wußte es nicht, ich fühlte es einfach nur, daß mir dieser Mann mehr über den Fall sagen konnte und daß er irgendwie daran beteiligt war. Deshalb wollte ich ihn auch aus seinem Zustand herausholen.
Wasser fand ich genügend. Ich ließ es von meinen hohlen Handflächen über seine Stirn rinnen. Es benetzte die Lippen, sickerte an den Wangen entlang, auch am Kinn, dann sah ich am Flattern der Augenlider, daß wieder Leben in die Gestalt zurückkehrte.
»Wachen Sie auf, Mister«, sagte ich leise. »Bitte, wachen Sie auf! Es ist vorbei.«
Er mußte meine Stimme gehört haben. Jetzt öffnete er die Augen schneller, doch sein Blick war noch nicht so klar, wie ich es gern gewünscht hätte.
»Sind Sie okay?« fragte ich.
Seine Lippen bewegten sich. Es war sicherlich kein Lächeln. Ich sah auch die Angst in seinen Augen. Er versuchte, den Arm zu heben und ihn als Deckung vor sein Gesicht zu legen. »Nicht schlagen!« flüsterte er. »Auch nicht schießen…«
Ich lachte leise. »Weshalb sollte ich Sie schlagen?«
»Sie… die anderen …« Er griff dorthin, wo sich die aufgeplatzte Stelle am Kopf befand.
»Wer hat das getan?«
»Fremde.«
»Sie kennen sie nicht?«
»Nein, aber wer sind Sie?«
»Ich heiße John Sinclair und bin Scotland-Yard-Beamter.«
»Polizist?«
»Ja, und wer sind Sie?«
»McGrath!« flüsterte er. »Ich bin McGrath. Mir sind die Pferde unterstellt, wissen Sie?«
»Die Feuer gespien haben?«
»Ja, so plötzlich. Ich kann es mir nicht erklären.«
»Ja, sicher. Ich sah sie auch und das Mädchen.«
»Welches?«
»Kennen Sie…«
»Ja, natürlich, Julie. Entschuldigen Sie, die Kopfschmerzen. Sie sind einfach grauenvoll.«
»Und wer hat Sie niedergeschlagen, Mr. McGrath?«
»Es waren zwei Männer. Ausländer, Orientalen. Ich habe sie zuvor nie gesehen. Die Kerle nahmen mich mit in den Sumpf.«
»Was war der Grund?«
»Sie wollten Julie!«
»Nur sie?«
»Ja. Ich weiß nicht, was sie mit dem Mädchen vorhatten. Sie hielten das Haus seiner Großeltern besetzt. Es sind richtige Killertypen, das sage ich Ihnen.«
Ich konnte mir den Grund vorstellen. Die Männer mußten Julie wegen ihrer Fähigkeiten geholt haben. Es gab einfach keine andere Möglichkeit. Was hätten sie sonst mit einem Kind anstellen sollen?
Zudem war es leicht möglich, daß auch fremde Geheimdienste von Julies »Können« etwas mitbekommen hatten. London ist ein Tummelplatz für ausländische Dienste aus aller Welt.
»Wie, sagten Sie, sahen die Männer aus?«
»Araber.«
»Da sind Sie sich sicher?«
»Klar. Ich kenne die Typen aus den Nachrichtensendungen im Fernsehen. Die Berichte aus Beirut und so…«
Ich nickte. »Sie haben es gut beobachtet, Mr. McGrath. Gratuliere!«
»Ach, hören Sie auf. Es blieb mir ja nichts anderes übrig. Außerdem hatte ich genügend Zeit. Aber ich glaube nicht, daß sie nur zu zweit waren. Als ich bei den Gladstones schellte, ging alles sehr
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