0523 - Tod dem Vampir!
Selbstverstümmelung »ins Spiel brachte. Er hätte Sie als geistesgestört einstufen können. Dann würde ein psychiatrisches Gutachten über Ihren Geisteszustand eingefordert und Sie möglicherweise in eine geschlossene Anstalt eingewiesen werden. Sehen Sie, Monsieur, die Behörden dürfen nicht an Vampire glauben. Sie dürfen nur akzeptieren, was sich mit den Methoden der Schulbuchwissenschaft nachprüfen oder nachvollziehen läßt. Selbst wenn die Parapsychologie überall als Wissenschaft anerkannt würde, was in vielen Ländern und bei vielen Meinungsmachern in den Medien leider immer noch nicht der Fall ist, ja, selbst dann würden Vampire davon nicht erfaßt. Man würde mit spöttischem Unterton den alten Graf Dracula zitieren oder allenfalls noch auf die Sagen um Lamia hinweisen und das Ganze in den Bereich der Phantastischen Literatur verbannen. Mit anderen Worten: Bestenfalls würde man Sie einen Spinner nennen.«
»Aber ich habe das alles erlebt. Das war doch kein Traum. Die Scherben liegen noch im Mülleimer, und die Bißmale am Hals sind da! Es war ein Vampir, Monsieur Landrys. Ich glaube, ich habe sogar einen Teil seiner Verwandlung registrieren können, ehe ich die Besinnung verlor.«
Gryf sah ihn forschend an. »Gehen wir in ein anderes Zimmer«, schlug er vor, »wo’s nicht ganz so kühl ist, und dann erzählen Sie mir genau, was sich abgespielt hat. Jede Einzelheit kann wichtig sein.«
Im Wohnzimmer begann Lecoq stockend zu erzählen. Anfangs schien er nicht sicher zu sein, ob Gryf ihm wirklich glaubte. Immer wieder machte er Pausen, beobachtete den Druiden fast lauernd und wartete auf Reaktionen. Gryf hörte sich die Story an. Für ihn klang sie recht glaubwürdig. Nur als Lecoq dann die seltsame Reaktion seiner Freundin schilderte, fiel es Gryf schwer, sich ihr Verhalten als normal vorzustellen. Mit dieser Frau konnte etwas nicht stimmen.
»Was werden Sie nun tun?« fragte Lecoq schließlich. »Wie können Sie mir helfen? Können Sie mir sagen, ob das, was ich erlebt habe, wirklich echt ist, oder ob ich mir das alles nur einbilde?«
»Sie sind sich dessen plötzlich selbst nicht mehr sicher?« wunderte sich Gryf.
»Je länger ich darüber nachdenke, desto verrückter kommt es mir vor. Wenn das Fenster nicht wirklich kaputt wäre, würde ich fast glauben, ich träumte das alles nur.«
»Womit wir bei der alten philosophischen Frage sind, die noch niemand wirklich schlüssig beantworten konnte: Was ist Traum, was ist Wirklichkeit? Vielleicht träumen Sie auch das zerstörte Fenster nur. Vielleicht träumen Sie jetzt gerade, daß ich Ihnen gegenübersitze. Ich kann jederzeit aus Ihrem Traum verschwinden, mich einfach in Nichts auflösen. Wie reagieren Sie nun darauf ? Was ist die Wahrheit?«
»Sie wollen mich verunsichern«, warf Lecoq ihm vor. »Oder mich lächerlich machen.«
»Weder das eine noch das andere. Ich will Ihnen nur klar machen, daß es stimmt, was Sie erlebt haben. Es war kein Traum. Es gibt diesen Vampir.«
»Und was nun?«
»Sie stehen möglicherweise unter seinem Einfluß.«
Lecoq wurde um eine Nuance blasser. »Wie…«
»Das Spiegelbild ist ein Indiz. Es kann gut sein, daß Sie auf dem Weg sind, selbst zu einem Vampir zu werden. Wenn er noch einige Male von Ihnen trinkt, werden Sie jedesmal undeutlicher im Spiegel. Vampire werfen kein Spiegelbild. Sie werden erst zu seinem Sklaven, später selbst zu einem Vampir und dabei zu seinem Schüler. Vielleicht will er das. Es ist die Art der Vampire,, sich zu vermehren. Sie tun es nicht auf dem normalen Weg wie wir Menschen. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob sie noch sexuelle Lust empfinden können, obgleich männliche Vampire sich vorwiegend weibliche Opfer suchen und umgekehrt, und der Vampirbiß teilweise auch erotisierend wirken soll - auf das Opfer. Aber ich schreibe das eher dem hypnotischen Einfluß zu, den ein Vampir auf sein Opfer ausübt. Wie auch immer - Vampirisches Lustempfinden dürfte sich in einem Bereich abspielen, der uns Menschen völlig verschlossen ist. Um nun auf Sie zurückzukommen: Wenn Sie ein lebender Mensch bleiben wollen, muß ich den Vampir unschädlich machen.«
Jetzt war es Gryf, der den anderen lauernd ansah. Wenn sich Lecoq tatsächlich unter vampirischer Kontrolle befand, mußte er jetzt mit Feindselig keit reagieren, zumindest in versteckter Form.
Aber das geschah nicht.
»Wie wollen Sie ihn finden?« fragte Lecoq eher hilflos. »Er ist doch längst fort, und in der Luft dürfte er
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