0523 - Tod dem Vampir!
totalen Neuanfang am Punkt Null durchbrechen ließ — aber auch das wollte niemand.
Gryf klingelte an der Haustür.
Auch nach dem fünften Versuch öffnete niemand. Nach einer Weile schlenderte eine beleibte Dame mittleren Alters, einen Laubrechen über die Schulter gelegt und eine Gärtnerschürze umgebunden, um die Hausecke. Sie stutzte, als sie Gryf sah, und sprach ihn an. »Wollen Sie zu uns?«
Gryf deutete mit dem Zeigefinger nach oben. »Zu Mademoiselle Villiers.«
Die Freizeitgärtnerin nickte wohlwollend und bemühte sich, ihr gartenzwergbestücktes Vorgärtchen zu verschönern. Nach gut zwei Minuten und Gryfs zehntem Klingelversuch sah sie wieder auf. »Die ist aber zu Hause«, sagte sie. »Haben Sie sich mit ihr verkracht, daß sie nicht aufmacht?«
»Verzeihung, aber ich bin nicht ihr Liebhaber«, versicherte Gryf.
»Ach, das ist aber schade. Sie sind ein gutaussehender Junge«, strahlte sie ihn an. »Die anderen Kerls können mit Ihnen bei weitem nicht konkurrieren, Monsieur.«
»Die anderen?«
»Na, die hat doch mehr Liebhaber als Finger an den Händen. Manchmal geben sie sich beinahe die Türklinke in die Hand. Ein beneidenswertes Mädchen. Ich wünschte, mir wären die Männer auch so nachgerannt, als ich noch jung war. Warten Sie, ich schließe Ihnen die Tür auf. Hämmern Sie oben möglichst kräftig mit der Faust gegen die Wohnungstür.«
»Vielleicht macht sie nicht auf, weil gerade einer ihrer Liebhaber bei ihr ist«, vermutete Gryf.
»Ach was, sie ist allein. Heute ist erst einer aufgetaucht und schnell wieder verschwunden, weil sie dem auch nicht geöffnet hat. Und selbst wenn sie jemanden im Bett hätte. - Sie sehen doch kräftig genug aus, den fremden Kuckuck aus dem Nest zu schmeißen und das löblich-lustvolle Werk selbst zu Ende zu führen!«
Die Dame hatte ein recht sonniges Gemüt, fand Gryf. »Ich muß Ihnen noch einmal versichern, daß ich aus einem ganz anderen Grund hier bin.«
Die Tür schwang nach innen auf. »Wissen Sie was, mein Junge?« flötete die Unkrautbändigerin zuckersüß. »Wenn Sie mit der Hübschen fertig sind oder sie Ihnen auch weiterhin nicht öffnet, kommen Sie doch auf einen Sprung zu mir herein. Es ist noch Kaffee da, und ein paar Stücke Kuchen und ein Glas Cognac habe ich auch noch greifbar. Einverstanden?«
Gryf brummte etwas Unverständliches. »Sie brauchen sich nicht zu zieren«, verriet ihm Madame Lustig noch, als er die Treppenstufen hinaufstieg. »Mein Emile ist für drei Wochen zur Kur, der bekommt davon überhaupt nichts mit…«
Nur war die gesellige Madame nun gar nicht Gryfs Kragenweite, was er ihr auf die sanfte Tour beizubringen versuchte. »Ich bin doch für Sie viel zu alt«, gab er augenzwinkernd zu bedenken, was sie im ersten Moment für Schmeichelei hielt und entsprechend verzückt die Augen verdrehte. »Sie werden sich doch nicht ernsthaft mit einem achttausendjährigen Greis einlassen?«
Natürlich glaubte sie ihm sein wahres Alter nicht, weil er wie 20 aussah. Sie lachte und verhielt sich weiterhin harrend und hoffend. Gryf klopfte oben wie empfohlen laut gegen die Wohnungstür. »Mademoiselle Villiers?« rief er. »Bitte, machen Sie auf. Ich weiß, daß Sie zu Hause sind.«
»Sagen Sie ruhig Tiffany«, empfahl Madame vom Fuß der Treppe her. »Das tun sie alle.«
»Ich bin aber nicht alle«, erwiderte Gryf, dem die aufdringlichen Strohwitwe allmählich lästig wurde. Er klopfte etwas lauter gegen die Tür.
Immer noch keine Reaktion.
»Kommen Sie, ich schließe Ihnen auf«, bot die unernehmungslustige Hobby-Erotomanin unverdrossen an. »Ich habe einen Zweitschlüssel für die Wohnung. Für Notfälle, wissen Sie? Feuer, Überschwemmung, Erdbeben…«
»…und Meteoriteneinschlag«, half Gryf düster weiter. »Danke, ich komme schon so zurecht.«
Er überwand die Wohnungstur per zeitlosem Sprung.
Woraufhin Madame, vor deren Augen er wie ein Gespenst verschwand, bühnenreif in Ohnmacht fiel.
Nur das Publikum fehlte ihr…
***
Etwas weckte den Vampir. Aufschreckend, weil er nicht wußte, was ihn geweckt hatte, stieß er den Sargdeckel empor. Es war die Unrechte Zeit, wie er sofort bemerkte. Um Stunden zu früh. Aber um wieviele Stunden?
Eine seltsame Benommenheit erfaßte ihn. Als er sich erhob und aus seiner Ruhestätte stieg, strauchelte er und wäre beinahe gestürzt. Er taumelte zum Fenster, spähte durch die Ritzen der Verdunkelung. Draußen war es noch hell; das wenig eindringende Licht schmerzte in seinen
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