0523 - Tod dem Vampir!
wenn er es nicht wirklich eilig hatte.
Fenrir hatte sich zunächst nach einem bedauernden Seitenblick auf Nicoles Cadillac-Oldtimer auf dem Beifahrersitz von Zamorras BMW 740i niedergelassen, aber schließlich zwängte er sich auf die Rückbank, weil er sich dort liegend besser gegen schnell durchfahrene Kurven und die dabei freiwerdenden Fliehkräfte wappnen konnte.
Die Dämmerung hatte bereits eingesetzt, als sie Pusignan erreichten und Zamorra den kleinen Ort nach der angegebenen Adresse durchforschte. Schließlich, am Ortsende, fand er das kleine Häuschen und stoppte vor dem rostbunten Peugeot- 205 ab. Er liéß Fenrir ins Freie. Der Wolf legte die Ohren an; sein Nackenfell richtete sich auf.
Hier stimmt was nicht. Ich rieche den Tod, teilte er mit.
»Gryf«, murmelte Zamorra. Er hielt die Hand in der Jackentasche um den Dhyarra-Kristall geschlossen, den er aktiviert hatte. So konnte er den Sternenstein jederzeit für Verteidigung, Angriff oder andere Effekte einsetzen.
Die Haustür war nur angelehnt, aber nicht ins Schloß gezogen. Das machte Zamorra stutzig. Er drückte auf den Klingelknopf, aber als von drinnen keine Reaktion kam, schob er die Tür vorsichtig mit dem Fuß auf. Fenrir tappte sofort mit gesträubtem Fell und leisem Knurren an ihm vorbei ins Haus.
»Aufpassen!« warnte Zamorra. »Du bist zu leichtsinnig.«
Hier lebt niemand mehr, behauptete der Wolf. Zamorra glaubte ihm. Er ging davon aus, daß Fenrir das kleine Haus telepathisch sondiert hatte. »Trotzdem müssen wir mit Fallen rechnen.«
Aber keine Falle schnappte zu. Statt dessen fanden sie in einem Wohnzimmersessel einen jungen Mann.
Oder vielmehr das, was von ihm übriggeblieben war.
Schon längst hatte Zamorra aufgehört, die Toten zu zählen, die er im Laufe seines Lebens gesehen hatte. Aber bei diesem Anblick drehte sich ihm der Magen um. Als er schließlich aus dem Bad zurückkehrte, ging er zum Telefon, dabei bewußt nicht zu dem Toten hinsehend, und ließ sich mit Chefinspektor Robin, Mordkommission Lyon, verbinden.
***
Tiffany Villiers erstarrte. Der Silbermond-Druide hatte sich beiseite gerollt und war verschwunden. Den winzigen Moment der Ablenkung hatte er ausgenutzt…
Tiffany wünschte ihre Vermieterin in die Obhut ihres Schirmherrn: Der Teufel sollte sie holen! Warum konnte sie nicht noch ohnmächtig am Fuß der Treppe liegen?
Das Pochen wiederholte sich. »Tiffany?« rief Madame Picard. »Mademoiselle Villiers, ich weiß, daß Sie da sind. Machen Sie auf. Der Mann, der bei Ihnen ist…«
Tiffany seufzte. Sie überlegte, was sie tun konnte. Magie schied aus. Die Kristallkugel hatte ihr vorhin schon eine Menge Kraft abverlangt - mit dem Resultat, daß die Verbindung durch das Auftauchen des Druiden gestört worden war. Tiffany mußte sie erst wieder neu errichten. Das würde zwar nicht mehr so aufwendig sein wie der Erstkontakt, aber immerhin… Den Eindringling bewußtlos werden zu lassen, ehe er mitbekam, was sich vor seinen Augen abspielte, war ebenfalls ein kräftezehrender Akt gewesen. Tiffany wollte sich nicht zu sehr verzetteln, zumal sie auch noch damit rechnen mußte, daß der Druide nach seiner Flucht zum Gegenschlag ausholte. Er würde es sich kaum gefallen lassen, so überrumpelt worden zu sein. Vermutlich wußte er inzwischen, wen er in Tiffany vor sich hatte.
»Mit dem Mann stimmt was nicht«, hörte sie hinter der Tür ihre Vermieterin lamentieren. »Er ist unheimlich. Hören Sie, Tiffany, er ist gefährlich! Ein seltsamer Typ… geradezu gespenstisch…«
Wem sagst du das ? dachte Tiffany. Im nächsten Moment wurde von außen ein Schlüssel ins Schloß gesteckt und herumgedreht. Madame Picard schloß einfach auf und kam herein!
Vor ihr im Flur stand Tiffany, das Messer in der Hand - und sprachlos über die Dreistigkeit ihrer neugierigen Vermieterin.
Die sah das große Messer natürlich sofort. »Aber Tiffany…«
Es gab jetzt zwei Möglichkeiten.
Glaubwürdige Lüge oder Mord.
***
Der untersetzte, wie immer etwas nachlässig gekleidete Pierre Robin erschien etwa eine halbe Stunde später in Begleitung eines mürrisch dreinblickenden Polizeiarztes, eines nicht minder mürrischen Fotografen und einiger uniformierter Beamter. »Wenn du das nächste Mal eine Leiche findest, Zamorra«, zischte er dem Professor zu, »dann bitte entweder ein paar Stunden früher oder später! Aber nicht ausgerechnet dann, wenn ich gerade in Richtung Feierabend verschwinden will! Verdammt, drei Mordfälle am Mittag
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