0523 - Tod dem Vampir!
nicht ganz verwunden, und daß er jetzt auch im Falle Gryfs machtlos war, belastete ihn noch zusätzlich. Er hatte nicht damit gerechnet, daß Zamorra so darauf reagieren würde.
Wie sollte er im Ernstfall Zamorra stoppen, ohne ihn zu verletzen?
***
Marie Picard war aus ihrer Ohnmacht wieder erwacht. Mühsam raffte sie sich auf und versuchte zu begreifen, was sie da eben gesehen hatte. Sie hatte sich mit einem attraktiven jungen Mann unterhalten, der sich dann wie ein Gespenst aufgelöst hatte, wie eine Halluzination!
Die Hausbesitzerin griff sich an den Kopf. »Ich bin doch nicht verrückt!« entfuhr es ihr. »Ich kann das doch alles nicht geträumt haben. Die einzigen Tagträume, die ich mir leiste…« Den Rest sprach sie nicht mehr laut aus.
Die Sache ließ ihr keine Ruhe. Sie mußte herausfinden, mit welchen unrechten Dingen es hier zuging, oder ob sie nicht vielleicht doch einer Täuschung erlegen war. Sie stapfte die Treppe hinauf und lauschte an der Tür. Sie vernahm leise Stimmen, ohne zu verstehen, was gesagt wurde. Die schöne Tiffany unterhielt sich mit jemandem.
Also war der Mann doch in die Wohnung gelangt! Aber wie hatte er das gemacht, diese Sache mit dem Verschwinden? Picards Neugierde wurde schier unerträglich. Sie mußte es wissen! Lautstark klopfte sie an.
***
Im ersten Moment seines Erwachens glaubte Gryf, blind geworden zu sein. Das grelle Licht, das ihn empfangen hatte, machte seinen Augen immer noch zu schaffen; während seiner geistigen Abwesenheit war auch die Adaptionsfähigkeit seiner Augen »eingefroren« gewesen. Jetzt wirkte das grelle Aufblitzen nach, aber langsam kehrte das Sehvermögen wieder zurück.
Er versuchte sich zu erinnern, was er gesehen hatte, ehe er die Besinnung verlor. Aber das Bild war recht diffus und verschwommen. Das Zimmer, eine Frau, eine schimmernde Kugel, aber zugleich auch ein dunkler, enger Raum, in dem sich jemand befand und…
»Verdammt«, murmelte der Druide. »Ich versteh’s nicht…«
Er versuchte sich aufzuraffen. Aber es ging nicht. Ein Schwächeanfall warf ihn wieder zurück. Die seltsame Kraft, die ihm vorhin den Blackout verschafft hatte, wirkte immer noch auf ihn ein. Sie schwächte sowohl seinen Körper als auch seine Para-Fähigkeiten, wie er Augenblicke später feststellte.
Im nächsten Augenblick wurde eine andere Tür geöffnet, und eine junge, schöne Frau trat auf ihn zu. In der Hand hielt sie ein langes, scharfes Messer.
Es war die Frau, die er vor der Kristallkugel gesehen hatte, in jener seltsamen Doppelbelichtung. Sie hockte sich jetzt neben ihm nieder. »Hallo«, krächzte er. »Sie können das Messer wegtun. Ich bin ganz harmlos. Ich…«
»Pech für dich, daß du schon wieder wach bist. Bleib ganz still liegen, dann geht es schnell und schmerzlos. Du machst mir doch keinen Ärger, oder?«
Er versuchte ihre Gedanken zu lesen, aber sie schirmte sich ab. Im nächsten Moment setzte sie ihm das Messer an die Kehle. Unwillkürlich hob er die Hände, um die Klinge abzuwehren, aber da spürte er schon den leichten Druck.
War die junge Frau wahnsinnig?
»Weißt du, es ist nichts Persönliches«, sagte sie. »Du könntest mir sogar gefallen. Aber du hättest nicht hier hereinkommen dürfen.«
Er versuchte, seine Druiden-Kraft einzusetzen. Aber er schaffte es nicht. Die Schwächung ließ die Magie nicht wirksam werden. In den Augen der jungen Frau sah er es aufblitzen und wußte, daß sie ihn jetzt töten würde. Ein schneller, tiefer Schnitt -Jemand hämmerte lautstark gegen die Wohnungstür.
Für den Bruchteil einer Sekunde war die Mörderin abgelenkt. Das reichte Gryf, um unter Aufbietung seiner letzten Kräfte die Hand mit dem Messer von sich wegzustoßen. Zugleich rollte er sich zur Seite, von der Frau weg, und leitete aus der Bewegung heraus einen zeitlosen Sprung ein.
Er konnte nicht sagen, ob es funktionierte, oder wo er ankommen würde, denn im gleichen Moment raubte ihm die übermäßige Anstrengung erneut das Bewußtsein.
***
Die Fahrt nach Pusignan dauerte etwa eine Stunde. Zamorra nahm die Autobahn und den weiten Umweg über St. Etienne in Kauf; trotz der Mautstellen ging das schneller, als wenn er sich über die schmalen Landstraßen und anschließend durch Lyon gequält hätte, um an sein Ziel zu kommen. Obgleich Sonntagabend, war die Autobahn weitgehend frei; es war noch keine Touristensaison, und kein halbwegs vernünftig denkender Franzose kam auf die Idee, die gebührenpflichtige Autobahn zu benutzen,
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