0523 - Tod dem Vampir!
ich.
Zamorra atmete tief durch.
»Ein kluger Kopf hat einmal gesagt: Das Tier unterscheidet sich durch seinen Verstand vom Menschen. - Fenrir, es tut weh. Begreifst du das nicht? So viele sind gestorben, ohne daß ich ihnen helfen konnte.«
Ich verstehe das sehr gut. Aber das ändert nichts an den Fakten. Laß den Ring ruhen. Es wäre zu riskant.
Zamorra nickte bedrückt.
»Danke«, sagte er leise. »Dafür, daß du mich vor einer Dummheit bewahrt hast. Bleiben wir also in der Gegenwart und versuchen herauszufinden, was tatsächlich geschehen ist, um den Schuldigen zur Rechenschaft zu ziehen.«
So gefällst du mir schon besser, stellte Fenrir fest. Und ich fürchte, an deiner Stelle hätte ich dasselbe versucht wie du…
Zamorra nickte.
Manchmal mußte es wohl einen Freund geben, der einen auf den Boden der Tatsachen zurückbrachte. Fenrir war so ein Freund.
»Ich denke, du hast bei mir was gut«, sagte er. »Ich werde dir einen Wunsch erfüllen.«
***
Der Vampir richtete sich wieder auf. Mitleidlos sah er auf Ron Lecoq hinab. Der Mann hatte ihm verraten, was es zu verraten gab. Jetzt, da der Vampir sicher sein konnte, daß Lecoqs Blut ihm nicht schadete, nahm er sich seine Ration. Dennoch fühlte er sich anschließend geschwächt. Das Kranke in ihm wirkte immer noch. Aber er wußte jetzt, daß er es höchstwahrscheinlich der Frau zu verdanken hatte. Sie wohnte nicht hier, nicht einmal im gleichen Ort. Damit hatte er nicht gerechnet. Es erschwerte ihm die Sache, denn um sie zu finden, mußte er abermals fliegen. Das kostete Kraft, ebenso die Verwandlungen. Vielleicht würde er hinterher zu geschwächt sein, um überhaupt wieder in seinen Unterschlupf zurückkehren zu können.
Aber jetzt zurückzukehren und darauf zu hoffen, daß es ihm nach der nächsten Ruheperiode wieder besser ging, war nur Selbstbetrug.
Es gab kein Zurück mehr.
Also verließ er das Haus, verwandelte sich, was ihm schwerer fiel denn je, und begann zu fliegen. Sein Ziel kannte er. Tiffany Villiers wohnte in Lancin, gut 25 Kilometer entfernt. Für den geschwächten Vampir fast schon eine Weltreise…
***
Diesmal nahm Zamorra das Amulett und den Dhyarra-Kristall 3. Ordnung aus dem Safe, legte den Zeitring unter Fenrirs aufmerksamem Wolfsblick wieder zurück. Er versuchte das Amulett probeweise zu aktivieren.
Aber es reagierte nicht - immer noch nicht! Zamorra legte es in den kleinen Tresor zurück.
Was ist los? wollte Fenrir deshalb wissen.
»Das Ding streikt, und zwar schon seit Wochen. Das seltsam verquere künstliche Bewußtsein, das sich in ihm gebildet hat, ist wohl sauer auf mich. Ich habe es vor einiger Zeit in eine Situation gebracht, die ihm nicht paßte, und in kleinkindischem Trotz verweigert es jetzt permanent den Dienst. Kürzlich dachte ich, es würde sich wieder aktivieren, aber das geschah wohl nur, weil es dabei seine eigene Blechhaut retten mußte. Allerdings hat die Sache auch ein Gutes: ich lerne wieder, ohne Merlins Stern zurechtzukommen.«
Und wenn du es höflich um Entschuldigung bittest?
Zamorra hob die Brauen und sah den Wolf entgeistert an. »Sag mal, bist du von einem ganzen Flohzirkus gebissen worden? Es handelt sich um einen Gegenstand, nicht um eine Person! Wer bin ich denn, daß ich ein Ding um Entschuldigung bitte? Ich entschuldige mich ja auch bei einem Haus nicht dafür, daß ich darin wohne, oder bei einem Weg, daß ich über ihn spazierengehe!«
Wege und Häuser haben aber im Normalfall keine eigenständige künstliche Intelligenz entwickelt, erinnerte Fenrir. Aber du mußt ja wissen, was du tust.
Zamorra winkte ihm zu. »Du kommst sicher mit?«
Der Wolf hechelte zustimmend und trottete hinter Zamorra her. Nehmen wir Nicoles Cadillac? hoffte er.
»Schmink’s dir ab. Das gäbe nur teuflischen Verdruß. Du weißt doch, daß sie dich nicht auf den Lederpolstern haben will. Wir nehmen meinen BMW. Ich informiere Nicole oder Raffael, je nachdem, wer uns über den Weg läuft, und dann geht’s ab nach Pusignan. Wer auch immer Gryf getötet hat, wird es bereuen.«
Dem Wolf sträubten sich die Haare. Er hatte in Zamorras Stimme noch nie einen so mörderischen Ton vernommen.
Er hoffte, daß Zamorra nicht ein zweites Mal die Kontrolle über sich verlor. Mittlerweile wünschte er sich, Zamorra erst gar nicht auf sein Gefühl von Gryfs Todesgefahr hingewiesen zu haben. Aber er hatte einfach darüber »reden« müssen, um mit diesem bedrohlichen Eindruck fertigzuwerden. Er hatte Naomis Tod noch immer
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