0525 - Tödliche Fotos
schlimmsten Dinge erlebt.«
»Ja, leider.«
Sie mußte an der nächsten Haltestelle raus und erhob sich bereits, um auf die Tür zuzugehen. Wir rollten in die Station. Es war wie immer. Lichter huschten vorbei, die wartenden Menschen verschwammen zu gestaltlosen Konturen. Dann hielt der Zug, um wenig später seine Fahrt fortzusetzen.
Natürlich beschäftigten sich meine Gedanken mit der Toten auf dem Foto.
Wer war diese junge Frau? Weshalb hatte man sie getötet? Und wo war sie umgebracht worden?
Ich holte das Bild aus der Manteltasche und betrachtete es genauer. Wenn mich nicht alles täuschte, befand sich hinter der Toten eine Wand oder Mauer aus rohen Backsteinen. Die Blonde lag direkt davor, die Lanze steckte in ihrem Körper, und sie berührte die Mauer mit der linken Schulter.
Wer tötete mit einer Lanze?
Wir lebten in einer modernen Welt. Mörder nahmen Pistolen, Revolver, Gewehre, manchmal auch Maschinenpistolen, hin und wieder Messer, aber im Prinzip keine Lanzen. Es sei denn, sie hielten sich für etwas Besonderes oder waren etwas Besonderes.
Ich hatte schon erlebt, daß Killer aus einer anderen Zeit kamen, aus anderen Welten, aus dem Pandämonium. Schreckliche Gestalten, Mutationen zwischen Monster und Mensch. Wenn sie erschienen, dann benutzten sie diese Waffen.
Sollte das vielleicht ein Fall für mich werden? Hatte man mir deshalb das Bild geschickt?
Ich war mir natürlich nicht sicher, behielt diesen Gedanken aber im Hinterkopf. Für mich war zunächst wichtig, herauszufinden, wie die Tote hieß und wo man sie gefunden hatte. Möglicherweise ergaben sich dort einige Anhaltspunkte.
Ich stand auf, weil ich an der nächsten Station die U-Bahn verlassen mußte.
Die Wagenschlange rauschte bereits in die Station. Wieder das gleiche Bild, das ich schon nicht mehr wahrnahm. Auf dem Bahnsteig warteten neue Fahrgäste. Sie ließen die anderen stets aussteigen, bevor sie selbst den Wagen betraten.
Da blitzte es.
Ich war in Gedanken versunken, deshalb schreckte ich erst zusammen, als der Blitz schon längst wieder verschwunden war. Zwei Schritte vor dem Wagen stoppte ich, schaute mich um, sah aber keinen Fotografen. Dieses Aufblitzen mußte einfach damit zusammenhängen, daß jemand von mir oder einer anderen Person ein Foto geschossen hatte.
Wieder ein Foto!
Eins trug ich bereits in meiner Tasche. Weshalb hatte jemand eine zweite Aufnahme geschossen? Dabei ging ich davon aus, daß er mich fotografiert hatte und keinen anderen.
Leider war niemand zu entdecken. Es herrschte hier ziemlich viel Betrieb, ich befand mich an einem der großen U-Bahn-Knotenpunkte in der City.
Achselzuckend, aber sehr mißtrauisch geworden ging ich weiter und erschien wieder an der Oberwelt.
Es hatte inzwischen angefangen zu regnen. Hinzu kam der kalte Wind, der die nassen, eisigen Tropfen gegen meinen Mantel und in mein Gesicht schleuderte.
Ich stellte den Kragen hoch, zog den Kopf ein und schob ihn sogar nach vorn. Immer dicht an den Häusern hergehend, näherte ich mich meinem Ziel. Die normale London Police residierte in einem großen Bau, der noch aus den Anfängen des Jahrhunderts stammte.
Er war mittlerweile einige Male renoviert worden, man hatte auch neue Büros gebaut, aber die hohen Decken und die Atmosphäre waren noch geblieben.
Über eine breite Treppe lief ich schnell auf die breite Eingangstür mit den drei Flügeln zu und drückte den mittleren auf.
Eine Halle lag dahinter, zwei Anmeldungen ebenfalls, und ich ging vorbei. Am Lift holte mich ein Uniformierter ein.
»Wo möchten Sie hin, Sir?«
»Zu Chiefinspektor Tanner.«
»Sind Sie angemeldet? Sie hätten an der Information…«
Ich holte meinen Ausweis hervor. »Reicht Ihnen das?«
Der Bobby salutierte. »Selbstverständlich, Sir.« Er fragte noch:
»Sie kennen sich aus?«
»Ja.«
Neben den Fahrstühlen standen den Besuchern noch Paternoster zur Verfügung. Ich stieg in die breite Kabine des Fahrstuhls und ließ mich in die vierte Etage bringen. Auf dem breiten Gang konnten mehrere Personen nebeneinander herlaufen. Das war noch was.
Hinter den dicken Holztüren wurde gearbeitet oder auch nicht, denn zweimal hörte ich ein lautes Lachen.
Natürlich besaß der Chiefinspektor Tanner auch ein Vorzimmer, an dessen Tür ich klopfte, kein »Come in« hörte, es dennoch betrat und mich in einem großzügigen Raum wiederfand, in dem zwei Sekretärinnen arbeiteten. Eine war nur zu sehen, vom Profil her. Sie hämmerte auf der Maschine und nahm mich
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