0527 - Der Tag der Kobra
Panshurab sah das Bungalow-Büro. Er war ziemlich sicher, daß Tendyke wieder dorthin zurückkehren würde. Und selbst wenn er es nicht mehr tat - dort würde Tendyke-Personal auftauchen. Panshurab beschloß, es zu infiltrieren. Ausgerechnet diese Tendyke-Filiale konnte zum Stützpunkt der Schlange werden. Wer rechnete schon damit?
Zamorra und Tendyke wohnten im »Holiday Inn«.
Spätestens dort waren sie zu erwischen. Vor allem, wenn Zamorra sich offenbar nicht mehr auf sein Amulett verlassen konnte.
Es war an der Zeit, Rajnee und Nevis endgültig zu versklaven, um auch den beiden neu entstandenen Ssacah-Ablegern echte Kraft zu geben. Bisher hatte Panshurab sie nur mit »gebremster Kraft« agieren lassen, um der Schwarzen Familie nicht aufzufallen. Angewandte Magie ließ sich immer feststellen und nachweisen. Aber jetzt war es an der Zeit für den entscheidenden Schritt nach vorn.
Zamorra und Tendyke wußten jetzt zwar, daß Ssacah in ihrer Nähe weilte. Aber sie konnten nichts gegen den Geist des Kobra-Dämons unternehmen…
Und so griff Mansur Panshurab jetzt über Tausende von Kilometern direkt ins Geschehen ein. Nicht mehr nur eine der mittlerweile drei Messingfiguren sollte agieren, sondern alle drei, die Diener und wer auch immer noch zu ihnen stoßen würde.
Die tödliche Endphase des Spiels begann.
***
Als Rani und Ben an diesem Morgen erwachten, hatte sich in beiden eine starke Veränderung vollzogen. Das, was einmal menschliches Leben gewesen war, war in ihnen erloschen. Sie bewegten sich noch, sie konnten sprechen, handeln und denken, aber sie wurden von etwas gesteuert, das nicht menschlich war. Sie waren zu seelenlosen, gefühlslosen Sklaven geworden, wie Roboter, die nur ihrer Programmierung gehorchen.
Sie waren Diener, Werkzeuge, Waffen.
Jeder von ihnen nahm eine Messing-Kobra in sich auf.
Jeder von ihnen wußte jetzt, wie er seine Aufgabe zu erfüllen hatte.
Wer sollte sie erkennen, wer sollte sie an ihrem Tun hindern?
Die Falle konnte zuschlagen!
***
Ronald Cock lenkte seinen Wagen auf das Bungalow-Grundstück. Obgleich er der frischgebackene Boß der Tendyke-
Hedgeson-Werft war, gehörte er zu den Leuten, die noch alles selbst zu erledigen versuchten. Er saß selbst am Lenkrad, und er brauchte auch niemanden, der stellvertretend für ihn eine Telefonnummer wählte oder ihm Kaffee kochte und Türen aufstieß. Natürlich würde er um eine Sekretärin oder einen Sekretär nicht herumkommen, aber was er selbst erledigen konnte, das nahm er eben in Angriff.
Er war gespannt darauf, wie seine Arbeit sich entwickeln würde. Allein schon die Idee Tendykes, die Firmenverwaltung in einem Bungalow unterzubringen, war traumhaft. Dabei fühlte sich Cock eher als Mitarbeiter von Miß April Hedgeson denn als Statthalter Rob Tendykes. Aber wie auch immer -wichtig war, daß er seine Ideen einbringen konnte, gut bezahlt wurde und die Firma so bald wie möglich Gewinn abwarf - in dieser persönlichen Reihenfolge der Wichtigkeit.
Er stoppte den Wagen, stieg aus und schloß die Haustür auf. In etwa zwei Stunden würde Rob Tendyke hier auftauchen. Es gab noch ein paar Dinge zu regeln, die nicht einmal besonders wichtig waren, und vermutlich wollte der Boß auch nur plaudern und seinen Geschäftsführer näher kennenlernen. Warum auch nicht? Sich gegenseitig näher zu beschnuppern konnte nicht schaden.
Sein eigenes Büro hatte sich Cock bereits aus den vorhandenen Räumen ausgewählt. Er stieß die nur angelehnte Tür auf - und sah eine junge Frau hinter seinem Schreibtisch sitzen.
Er grüßte überrascht und höflich. »Könnte es sein, Lady, daß Sie sich in der Tür geirrt haben? Ich kann mich nicht entsinnen, bereits jemanden eingestellt zu ñaben.«
»Sie sind der Personalchef?« fragte die Frau. Sie war schön und machte auf ihn den Eindruck eines gefährlichen Raubtiers. Wie war sie überhaupt ins Haus gekommen? Er wußte, daß Tendyke gestern hier gewesen war, um einer Reporterin die eingerichteten, aber noch nicht besetzten Büros zu zeigen. Sollte der Boß vergessen haben, die Hintertür zu verriegeln? Vorn hatte der Schlüssel normal entsperrt.
»Ich bin der Chef des Personalchefs«, sagte er. »Ronald Cock. Mit wem habe ich die Ehre, und welchen triftigen Grund können Sie mir nennen, daß ich nicht sofort die Polizei rufe und Sie als Einbrecherin festnehmen lasse?«
Sie erhob sich langsam hinter seinem Schreibtisch. »Einen sehr triftigen Grund - die Telefonanlage funktioniert nicht
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