0527 - Der Tag der Kobra
angelegt, von selbst vermehrte und ihm absolute Unabhängigkeit verlieh. Zudem faszinierte es ihn, die Yolngu und ihre Lebensweise kennenzulernen. Also fragte er Shado, ob er diesen Ted in seiner Nähe haben wollte; Shado stimmte zu.
Nicole Duval hatte dazu beigetragen. Bisher kannte Shado nur Zamorra, Nicole und die Silbermond-Druidin Teri Rheken. Was neue Bekanntschaften oder gar Freundschaften anging, war er eher vorsichtig. Aber Nicole sprach für Ted, und sie versprach auch, mit von der Partie zu sein und notfalls zu vermitteln, wenn es kulturelle, zivilisatorische oder sonstwie geartete Probleme gab. »Du hast uns geholfen, Shado«, sagte sie, »und wir helfen dir. Nicht, um eine Schuld zu begleichen, sondern grundsätzlich. Freunde lassen einander nie im Stich, sie helfen einander.«
Damit war die Sache geklärt.
»Mich kannst du dann in Frankreich absetzen, im Château Montagne«, hatte Zamorra Issomad gebeten. Doch da sperrte sich Issomad-Sid Amos plötzlich.
»Ihr verlaßt alle hier und jetzt die INFERIOR«, verlangte er, »und ich werde mit dem Raumschiff so schnell wie möglich verschwinden. Ärger kündigt sich an. Wir sind per Radar geortet worden, und soeben wird eine Fliegerstaffel losgeschickt. Ich will den Kampf vermeiden. Über Frankreich wird es dieses Problem al ht noch schneller geben als über Australien. Ich kann auf diesen Ärger gern verzichten. Ihr verlaßt alle hier die INFERIOR, und ich verschwinde wie ein geölter Blitz! Du wirst von Sidney aus auch aus eigener Kraft allemal nach Lyon und zum Château zurückkommen.«
Er war der Kommandant.
Er sorgte dafür, daß es keinen Widerspruch gab; er ließ seine Bundesgenossen in Sidney absetzen. Als sie sich im Hyde-Park wiederfanden, nach dem Londoner Original benannt, sahen sie am Nachmittagshimmel sekundenlang den Ringraumer ein gewagtes Flugmanöver über der Stadt vollziehen und dann in unendlichen Weiten verschwinden, verfolgt von einer Staffel Jagdflugzeuge.
»Machen wir das beste draus«, murmelte Zamorra. Sid Amos gab ihm mit seinem Verhalten einmal mehr ein Rätsel auf…
***
Rani Rajnee schwebte über den Wolken. Sie hatte ihre Aufenthaltserlaubnis, ihre Arbeitserlaubnis und ihren Job! Dazu eine kleine hübsche Wohnung, die sie nicht einmal selbst bezahlen mußte, weil sie ihr von der Zeitung zur Verfügung gestellt wurde, für die sie arbeiten durfte.
Es hatte sich gelohnt.
Endlich nicht mehr mit einer mehr als 20-köpfigen Familie in beengten Verhältnissen wohnen müssen, nicht mehr jede Rupie zehnmal umdrehen, ehe sie schweren Herzens doch ausgegeben werden mußte, endlich raus aus dem Elend, der Armut und der Brutstätte von Krankheiten, die kaum versorgt werden konnten, weil es an Ärzten fehlte - wer hätte sie auch bezahlen können?
Die Begegnung mit Mansur Panshurab hatte ihr Glück gebracht.
Rani hatte ihn eher zufällig kennengelernt, weil sie ihm in Bombay förmlich vors Auto gelaufen war. Sie war auf Jobsuche gewesen, hatte die Familie und das kleine Dorf weit zurückgelassen. Ein paar hundert Meilen weit. Der Vater hatte sie nicht gehen lassen wollen, nicht schon wieder, wo sie doch gerade erst aus New Delhi zurückgekommen war. Dort hatte sie ihre Ausbildung hinter sich gebracht. Eine teure Ausbildung, die sich die Familie abgehungert hatte. Aber Vater liebte Rani über alles, und so hatte er es irgendwie möglich gemacht - sehr zum Ärger ihrer beiden großen Brüder, die dafür hatten zurückstecken müssen und sich benachteiligt fühlten. Aber sie zeigten auch kein Interesse an einer höheren Schulbildung, oder sie waren einfach zu dumm dazu. Jedenfalls war es Rani gewesen, die hinausgezogen war und sich die Grundlagen dafür erarbeitet hatte, jetzt Geld verdienen zu können - richtiges Geld. Viel Geld. Australische Dollars.
In Bombay hatte kein Zeitungs- und Buchverleger Arbeit für sie. Obgleich inzwischen auch in Indien vieles anders geworden war, stieß sie immer wieder auf die hartnäckigen Vorurteile, daß sie eine Frau war und gefälligst längst verheiratet und mit unzähligen Kindern gesegnet sein mußte! Und dann, in bitteren Gedanken versunken, ihr Schritt auf die Straße. Die quietschenden Bremsen, der Schlag gegen ihre Hüfte. Es war nichts passiert, nur ein blauer Fleck, aber Mansur Panshurab hatte sich rührend um sie gekümmert, sie zum Essen eingeladen… in ein einfaches Lokal, für dessen Besuch sie sich nicht erst ein sündhaft teures Kleid kaufen mußte, um nicht unangenehm
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