0527 - Die Insel der Glücklichen
Westen nach Osten, Licht und Schatten glitten über die Savanne, über die Dünen, über den Sumpf und über den Ring des Dschungels, der sich vor dem Wasserstreifen abzeichnete. Alles war, soweit dies von hier zu erkennen war, ringförmig angeordnet.
„Dort drüben im Dschungel also scheint ein Raumhafen zu sein.
Du hast doch ein Gerät, mit dem du entfernte Dinge nah sehen kannst?" meinte der Knöcherne.
„Ich habe es bereits in den Fingern", sagte Sandal und überließ die Zügel dem Thoen, das aufgeregt mit dem Haarschopf wedelte.
Natürlich sah Sandal - und kurz darauf auch No - durch den Feldstecher nicht alles, aber die Phantasie konnte ergänzen.
Kreisförmig schien alles um das Zentrum der Insel angeordnet zu sein: Die Insel selbst war annähernd rund, dann folgten das Binnenmeer, das an der Stelle rund einhundert Kilometer breit zu sein schien ... Sandal stutzte und rechnete sich aus, daß das menschliche Auge, selbst durch dieses Gerät verstärkt, aus dieser Höhe eigentlich niemals so weit blicken konnte.
Aber dann erkannte er seinen eigenen Trugschluß: Der Energieschirm rückte das Bild näher an den Betrachter heran, weil er als Maßeinheit diente. Offensichtlich stimmten also die Maße, die er anhand des Gesehenen ausgerechnet hatte.
In konzentrischen Kreisen folgten der Dschungelstreifen, der fast schwarze Morast, der Sand und die Dornensavanne.
Im Osten, mitten im Dschungel, ragte ein hoher Mast auf - ein Turm für den Raumhafen, auf dem eben das dritte beobachtete Raumschiff landete. Von diesem Hafen spannte sich eine bogenförmige, nur sehr undeutlich zu erkennende Energiebrücke bis zur Insel. Ihr Ende verschwand in der Helligkeit vor dem Energieschirm.
„Außerhalb dieser Röhre oder dieser Brücke findet offensichtlich kein Flug statt - kein Flug zur Insel!" sagte Sandal.
Das ist die Heimat der Mächtigen!" erklärte Tahonka-No. Es war deutlich, daß er jetzt wieder Furcht verspürte.
Sandal war hungrig und sehnte sich nach einem langen Schlaf.
„In ganz kurzer Zeit reite ich weiter", sagte er in ruhigem Tonfall „Denn ich sehe meinen Weg und das Ziel."
Die Nervosität und Unruhe, die seit Tagen immer deutlicher zutage getreten waren, brachen bei Tahonka-No aus. Heftig wandte er sich an Sandal: „Du wirst sterben, wenn du weiterreitest, Sandal!"
„Möglich", sagte Sandal hart. „Aber wenn ich sterbe, werde ich dies als Krieger tun, nicht als Gehetzter. Und es erscheint mir außerordentlich fraglich, ob Wesen, die mit Gleitern fliegen, für meine Art des Kampfes taugen. Ich werde sie alle besiegen mit meinen zweihundertfünfzig Pfeilen."
Tahonka senkte schweigend den Kopf, wartete einige Minuten und sagte schließlich: „Ich werde mit dir reiten, Sandal. Und wenn der Ritt geradewegs in den Tod führt."
Sandal streckte seine Hand aus.
Die beiden ungleichen Partner schüttelten sich kräftig die Hände, dann lachte No laut.
„Du bist härter als dieser Fels hier, aber ich schöpfe Hoffnung!"
sagte er. „Reiten wir abwärts."
„Prägen wir uns vorher noch einmal die Richtung und die markantesten Wegzeichen ein", erwiderte Sandal.
Lange glitt sein Blick über die Landschaft, suchte nach Festpunkten in der Masse aus wechselnden Geländeformen, heftete sich auf die Kuppel und auf die schwirrenden glitzernden Punkte, die in Wirklichkeit Fluggeräte waren, dann nickte er.
„Los „sagte er.
- Weit unter ihnen schwebte ein riesiger Gleiter über den Savannen-Streifen. Das Mißverhältnis würde die beiden Reiter auch weiterhin retten - das Mißverhältnis zwischen ihrer geringen Größe im Vergleich zu diesen technischen Apparaten. Und jemand, der es gewohnt war, aus der Luft zu suchen und zu kämpfen, hatte gegen einen entschlossenen Jäger und Krieger auf dem Boden und in den vielfältigen Formen der Deckung nicht die geringste Chance, wenn er nicht gleich einen großen Geländestreifen vernichtete. Und selbst dagegen gab es noch Möglichkeiten zur Rettung und zum Überleben.
„Denn unser Tod ist näher, als wir ahnen!" zitierte Tahonka-No, als er sich in den Sattel schwang und Sandal folgte.
Das Thoen entfaltete die Flügel und wirbelte nach unten.
Der Todesritt begann.
Während er die Zügel lockerte und sein Tier den Weg allein finden ließ, versuchte der Knöcherne, seine Gedanken wieder zu ordnen. Zwei Weltbilder kämpften in seinem Innern einen lautlosen, aber erbitterten Kampf aus.
Er hatte in den vielen Tagen seit der Stunde, in der Sandal sein Leben
Weitere Kostenlose Bücher