0528 - Auftritt eines Toten
vernichtet.«
»Das ist gut.«
»Die grüne Flamme zerstörte ihn, das kennst du ja von Basil Hartford her, unserem Kollegen.« [2]
»Sehr richtig. Nur, was ist mit van Akkeren?«
»Er hat durchgedreht, John. Die Maschinenpistole, die er bei sich trägt, ist keine Staffage. Er setzte sie tatsächlich ein. Schau dich um, dann siehst du die Kugellöcher an den Wänden, im Fußboden und in der Theke. Erinnerungen an van Akkeren.«
»Unser Freund ist also geflohen?«
»Genau.«
»Wohin?«
Suko hob die Schultern. »Ich habe keine Ahnung. Vielleicht auf sein Schloß.«.
»Ohne Le Duc?«
»Das stimmt auch wieder.«
»Suko, ich bin durch den Schnee und gleichzeitig durch einen menschenleeren Ort gegangen. Mag das Wetter auch noch so mies sein, es ist trotzdem kein Grund für die Bewohner…«
Ich brauchte nicht weiterzusprechen, denn Suko schlug gegen seine Stirn. »Verflixt, jetzt weiß ich, wo er hingelaufen ist. In den Weinkeller, dort haben sie sich versammelt. Er besitzt ja zudem die Fotos von jedem Einwohner.«
»Genau.«
»Nichts wie hin!«
Beide hatten wir es mehr als eilig…
***
Irgend jemand war auf die Idee gekommen, seinen Schal zu spendieren und ihn dem Bürgermeister um den Hals zu binden, damit dort die Blutungen gestoppt wurden. Aus dem dünnen Wundstreifen quoll der Lebenssaft immer wieder in roten, kleinen Perlen.
Sie hatten ihn auf eine Bank gelegt, wo er sich nicht rührte. Roski war fertig, und nicht nur ihm erging es so. Andere Bewohner von Cerbac hatte es ebenfalls erwischt.
Bei einer Frau bluteten die Handflächen. Sie hatte ein Tuch dazwischengepreßt, hockte auf ihrem Platz und weinte leise vor sich hin.
Zwei junge Männer waren bewußtlos geworden. Ein anderer hatte sich aus dem Nichts den Arm verstaucht, die Magie der Fotos wirkte hier auf eine erschreckende Art und Weise.
Unausgesprochen stand über allem die Frage: Wann wird der erste von uns sterben?
So etwas förderte die Angst.
Die Menschen beobachteten sich gegenseitig mit mißtrauischen Blicken. Ein jeder lauerte darauf, daß seinem Nachbarn etwas passierte, und hoffte, dabei, daß er selbst nicht zum Opfer wurde.
Frank Didier, der die schlimmste Zeit seines bisherigen Lebens durchmachte, wäre liebend gern weggelaufen, doch er dachte daran, was ihm der Inspektor gesagt hatte, und blieb. Zudem spürte er auch so etwas wie ein großes Verantwortungsgefühl für die Menschen in diesem Weinkeller, denn Didier gehörte zu den wenigen Personen, die hier einen vollen Durchblick besaßen.
Gesetzt hatte er sich nicht. Er lehnte mit dem Rücken an einem der gewaltigen Weinfässer und hatte auch den Kopf so zurückgelegt, daß er damit das Holz berührte.
Es wurde nicht viel gesprochen. Und wenn, dann nur sehr leise.
Ansonsten drückte die Furcht den Menschen die Stimmbänder zu.
Jemand kam auf Didier zu. Es war eine junge Frau, soeben dem Mädchenalter entwachsen. Sie hatte ein blasses Gesicht. Durch das dunkle Kopftuch wirkte es noch bleicher.
Frank lächelte ihr gequält zu.
»Wird es bald vorbei sein?« fragte sie.
»Ich weiß es nicht.«
»Aber Sie kennen sich…«
»Nichts kenne ich«, sagte Frank, »überhaupt nichts. Ich habe nur die Aufgabe bekommen, hier zu warten.«
»Und uns zu beschützen?«
Er lachte auf. »Kann ich das? Dich vielleicht oder Sie, pardon…?«
»Nein, sag ruhig du. Ich heiße Claire.«
»Ich bin Frank. Glaub mir, Claire«, er veränderte die Haltung seiner Stimme etwas und stellte sich breiter hin. »Ich weiß nur soviel wie du. Ich wünsche mir, daß dieser verfluchte Alptraum bald beendet ist und wir alle wieder normal leben können.«
»Du bestimmt, wir kaum.«
»Wie meinst du das?«
»Hat man dich denn fotografiert?«
»Doch, aber die zweite Stufe ist mir erspart geblieben.«
»Dann hast du es wirklich besser. Wir sind fotografiert worden. Es war schlimm. Der Teufel kam nach Cerbac. So und nicht anders haben wir es gesehen. Jetzt hat jeder Angst, daß es ihn erwischt.«
»Der Inspektor ist unterwegs, um diesen Teufel zu stellen«, sagte Frank. »Ich vertraue ihm.«
»Ich sah, daß er dir seine Waffe gab.«
»Stimmt.«
Claire strich über die dünne Haut ihrer Wangen. »Würdest du sie mir auch geben?«
»Die Pistole?« Vor Schreck stellte sich Frank Didier aufrecht hin.
»Weshalb denn?«
»Wenn es mich einmal überkommt und die Schmerzen nicht mehr auszuhalten sind, möchte ich mir eine Kugel durch den Kopf schießen. Ich weiß ja nicht, was noch alles passiert. Es
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