0528 - Der blaue Tod
hatte, nur war sie nicht in der Lage zu sagen, in welcher Form diese Kommunikation stattgefunden hatte.
Das furchtbare Kribbeln, das sie fast in den Wahnsinn getrieben hatte, ließ nach. Sie gewann langsam die Kontrolle über sich zurück. Mit einiger Mühe brachte sie es fertig aufzustehen. Sie nahm Rhett vom Boden auf, trug ihn zu seinem kleinen Bettchen und legte ihn hinein. Seltsam, daß er nach wie vor schlief. Er schien überhaupt nicht wahrgenommen zu haben, was um ihn herum vorging, hatte nicht einmal auf den Schrei seiner Mutter reagiert!
Andere Kinder erwachen vom Lärm und beginnen zu weinen…
Patricia strich ihm zärtlich über den kleinen Kopf und ging dann zur Tür, zur Sprechanlage. Es war mehr ein Taumeln, und sie war froh, daß sie sich an der Wand festhalten konnte, als sie auf den Knopf drückte. »Zamorra… Er war hier, der Blaue…«
***
Zamorra konzentrierte sich darauf, den Beschwörungstext zu formulieren. Er zeichnete die Worte auf einem Bogen Papier auf, malte Zeichen dazu, strich Notizen durch und erneuerte oder überschrieb sie. Nicole mischte sich nicht mehr ein. Wenn der Versuch fehlschlug, würde es nicht so schlimm sein wie bei Schwarzer Magie, aber es konnte trotzdem erhebliche Probleme geben. Auch Weiße Magie war nicht völlig ungefährlich. Deshalb mußte Zamorra zusehen, daß er die richtigen Formeln entwickelte. Er versuchte, andere bestehende Zaubersprüche auf diesen Versuch umzuschreiben, so daß sie einander nicht widersprachen, sich nicht gegenseitig löschten und statt dessen Chaos erzeugten.
Die Sprechanlage wurde laut. Patricia meldete sich. Zamorra sah auf, aber Nicole winkte ab. »Ich kümmere mich darum«, sagte sie. »Patricia, wo ist er jetzt? Was ist geschehen?«
Sie lauschte der Schilderung.
»Es ist also weder dir noch Lord Zwerg etwas passiert?« vergewisserte Nicole sich.
»So, wie ich es sehe - nicht. Das unangenehme, widerwärtige Kribbeln ist auch wieder vergangen.«
»Und du kannst nicht sagen, wo sich der Blaue jetzt befindet?«
Kurzes Zögern, dann: »Nein.«
»In Ordnung. Wir arbeiten noch daran, den Blauen in eine Falle zu locken. Ich bin aber sicher, du und Lord Zwerg, ihr seid sicher. Wenn er euch etwas hätte antun wollen, hätte er es bereits getan. Ich danke dir.«
»Du sollst Rhett nicht immer ›Lord Zwerg‹ nennen«, seufzte Patricia. »Er hat schließlich einen Namen.«
»Aber er ist nun mal nicht größer als ein Zwerg«, gab Nicole schmunzelnd zurück. »Ansonsten alles klar bei euch? Unterrichte bitte Raffael und William, falls sie nicht ohnehin mitgehört haben.«
»Kann ich etwas tun? Ich meine, wegen der Falle und so.«
»Nein, Patricia. Erhole dich von dem Schrecken. Wir bekommen’s schon in den Griff. Wäre doch gelacht, wenn uns so ein blaues Nachtgespenst auf der Nase herumtanzen könnte…«
Die Verbindung erlosch. Nicole sah wieder zu Zamorra hinüber. Der kritzelte immer noch und war in tiefes Brüten versunken.
»Seltsam«, murmelte Nicole. »Der Bursche nennt sich selbst Tod und läßt die Menschen, denen er begegnet, am Leben… Was ist das für für ein Geschöpf?«
***
Der Auserwählte registrierte, daß Zamorra jetzt versuchte, ihn zu sich zu locken. Er war gespannt darauf, wie jener es anstellen würde. Aber ihm war auch klar, daß es zu nichts führen würde. Zamorras augenblickliche Motivation entsprach nicht dem, was er sich erhoffte. Zamorra war darauf aus, ihn unschädlich zu machen. Daran konnte ihm nicht gelegen sein.
Es war fast zum Lachen: zwei Auserwählte gegeneinander! Hatte es jemals so etwas gegeben?
Er, der seinen Namen längst vergessen hatte, hoffte, daß Zamorra eine genügend originelle Idee hatte - und daß er der Verlockung widerstehen konnte. Denn wenn er ihr nachgab, würde es zwangsläufig zu einer Auseinandersetzung kommen müssen.
***
Zamorra sah von seinen Notizen auf. »Ich glaube, jetzt habe ich es«, sagte er. »Es müßte funktionieren.«
»Und wenn nicht?«
»Dann richtet es zumindest keinen großen Schaden an. Halte dich bereit für den Fall, daß der Blaue auftaucht. Versuche, ihn mit der Dhyarra-Magie zu fesseln.«
»Brauchst du sie nicht, um den Schädel stabil zu halten?«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Vermutlich nicht«, sagte er. »Ich probiere es einfach mal aus. Wenn es nicht funktioniert, lasse ich mir etwas anderes einfallen.«
Er deutete mit ausgestrecktem Zeigefinger auf den blauen Schädel, der immer noch auf dem Tisch lag. Als er die Hand
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