0528 - Der blaue Tod
Personenbeschreibung abgeben«, überlegte Zamorra, dem plötzlich eine andere Idee kam. »Hast du gehört, was wir miteinander besprochen haben?«
»Es blieb mir ja nicht viel anderes übrig«, sagte Mostache. »Die Tür war offen, und ihr wart laut genug. Ich habe mich gefragt, ob du übergeschnappt wärest. Du hast das doch hoffentlich nicht ernst gemeint?«
»Was?«
»Wenn du es ernst gemeint hast, kriegst du echten Ärger«, versprach Mostache. »Immerhin kennen wir alle uns schon seit einer kleinen Ewigkeit, aber so, wie du diesem Gast gegenüber aufgetreten bist, war ich nahe daran, euch beide rauszuschmeißen. Deshalb bin ich auch nicht wirklich darüber böse, daß der Fremde verschwunden ist.«
»Was soll ich ernst gemeint haben?«
Mostache starrte ihn düster an. »Du hast dem Burschen angeboten, deine und meine Frau an ihn zu verkaufen.« Zamorra schluckte. »Sag das noch mal! Deine Frau und Nicole…?«
»So hab’ ich’s gehört!«
»Dann hast du etwas gehört, was ich nie gesagt habe. Glaubst du mir das? Hier läuft etwas unnormal ab. Magie ist im Spiel. Du solltest dein Haus endlich auch weißmagisch abschirmen, damit derlei Dinge nicht mehr Vorkommen.«
»Und damit du keinen Ort mehr hast, an dem du dich noch mit deinem Freund Asmodis treffen kannst, dem Ex-Teufel, wie?« brummte Mostache.
»Vergiß deine Selbstlosigkeit!« erwiderte Zamorra. »Denk lieber an dich und deine Gäste. Es könnte ja mal jemanden erwischen, der nicht zu meiner Crew gehört…«
»Sicher. Und ich glaube dir auch, daß du diesem Dingsbums nicht meine Frau verkaufen wolltest. An der hätte er sowieso keine Freude gehabt. Sie liebt mich, und jedem anderen würde sie lieber die Augen auskratzen und den Blinddarm oder sonstwas abbeißen, als sich versklaven zu lassen.«
»Also ist er in der Lage, jedem von uns eine eigene Version der Geschichte vorzuspiegeln«, stellte Nicole fest. »In meiner Version des Erlebnisses war von deiner ehelich angetrauten Zauberfee nicht die Rede!«
»Zauberfee? So können sich auch nur Frauen gegenseitig bezeichnen«, murmelte Mostache. Er hob die Stimme wieder. »In etwa zehn Minuten könnt ihr essen. Habt ihr zwischenzeitlich noch etwas vor?«
Zamorra zuckte mit den Schultern. »Unter anderen Umständen würde ich jetzt versuchen, dieser humanoiden Farbe nachzuspüren. Aber«, er berührte wieder das Amulett, »unter den jetzigen Umständen habe ich da wohl keine Chance.«
Wie recht du hast, klang eine lautlose Stimme in seinem Bewußtsein auf.
***
Zamorra erstarrte. »Was hast du gesagt?« stieß er hervor.
»Wer? Ich?« fragten Nicole und Mostache gleichzeitig. Zamorra hob abwehrend die Hand und schüttelte den Kopf. »Ihr seid nicht gemeint. Das Ding hier.« Noch einmal tippte er auf die Silbe rscheibe.
Seit das Amulett damit begonnen hatte, eine eigenständige, künstliche Intelligenz zu entwickeln, teilte es sich hin und wieder telepathisch Zamorra oder Nicole mit. Meist in Form von Kommentaren und mehr oder weniger unangebrachten Bemerkungen. Aber seit das Amulett in den Generalstreik getreten war, hatte es sich auch nicht mehr telepathisch geäußert. Mit einer einzigen Ausnahme…, und jetzt war scheinbar die zweite dieser Ausnahmen eingetreten.
Das Amulett meldete sich wider Erwarten auf Zamorras Rückfrage. Du hast recht - du hast keine Chance, mit meiner Hilfe etwas zu erreichen. Diese Chance hast du damals leichtsinnig verspielt. [2]
»Du weißt verdammt genau, daß das nicht meine Absicht war. Ich wollte nicht…«
Das Resultat zählt. Deshalb bist du jetzt auf dich allein gestellt. Ich gebe dir kein zweites Mal die Chance, dein Wort zu brechen, gewollt oder ungewollt.
»Du bist eine egoistische, rachsüchtige Blechscheibe«, zürnte Zamorra.
Ich bin Merlins Schöpfung. Ich bin der letzte von sieben.
»Kein Grund, nachtragend zu sein…«
Das Amulett antwortete nicht mehr. Das künstliche Bewußtsein zog sich wieder in sein Schneckenhaus zurück. Und Zamorra fragte sich, warum es sich in diesem Moment überhaupt vorübergehend bemerkbar gemacht hatte.
Das mußte doch einen Grund haben…
***
Es war seltsam. Der andere Auserwählte hatte seine Hilfe abgelehnt. Er schien nicht einmal begriffen zu haben, welches Glück es für ihn bedeuten mußte, ihm begegnet zu sein. Die rettende Hilfe, der Tod - warum wollte dieser Mann, der sich Zamorra nannte, den Tod nicht als Rettung akzeptieren? Er wußte, daß der Tod die einzige Lösung für sein Problem
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