053 - Der Brigant
mitgenommen worden.
Der Eindruck, den diese Nachricht auf Mr. Frenchan machte, war überwältigend. Er lehnte sich weit in seinen Stuhl zurück und sah den jungen Mann lange groß an.
»Was für ein merkwürdiger Zufall«, sagte er dann langsam.
»Sie sind der erste Altmethodist, dem ich hier begegne.«
Anthony war sehr erstaunt. Er hatte niemals geglaubt, daß die Sekte, der er früher angehörte, einen solchen Eindruck hervorrufen könnte . und er dachte nun dankbar an die kleine Kapelle zurück, die er in seiner Jugend immer besucht hatte.
Mr. Frenchan erklärte dem jungen Mann, welche besondere Bewandtnis es damit hatte.
»Mein Bruder Walter war ein merkwürdiger Mensch. Ich will damit nicht sagen, daß der Altmethodismus eine merkwürdige Religion ist, aber mein Bruder ging in dieser Beziehung zu weit. Er beschäftigte zweitausend Leute in seinem Geschäft, aber er stellte nur Altmethodisten an. Es ist sicherlich eine gute Religion. Aber mein Bruder war so bigott, daß er alle anderen Bekenntnisse verachtete. Mr. Newton, Sie als ein Mann von Welt werden mir doch zugeben, daß das gerade nicht sehr großzügig von ihm war?«
Anthony stimmte ihm vollkommen bei.
»Und weil er nun diese sonderbaren Ansichten hatte«, fuhr Mr. Frenchan bitter fort, »bin ich in eine sehr unangenehme Lage gekommen. Ich habe zu meinem Rechtsanwalt gesagt: Bin ich denn nun gezwungen, jahrelang hier in London zu sitzen und mich um bedürftige, arme Leute zu kümmern, die zu den Altmethodisten gehören, nur um das Testament meines Bruders auszuführen? Ich wäre verrückt, wenn ich das täte!«
Mr. Frenchan war sehr aufgebracht und trank seine Tasse hastig aus. Es lag ein sonderbarer Ausdruck in seinen Augen, der Anthony zuerst etwas verwirrte, dann aber ermutigte.
»Wollen Sie noch einen Likör haben?« fragte Mr. Frenchan plötzlich.
Anthony nickte.
»Ich möchte, daß Sie meinen Rechtsanwalt kennenlernen«, fuhr Frenchan fort. »Das ist ein Mann, der Ihnen gefallen wird. Ein kluger Mensch, der in die Welt paßt. Ein bißchen argwöhnisch, aber ich glaube, daß das mit seinem Beruf zusammenhängt. Wahrscheinlich kennen Sie die Firma schon -Whipplewhite, Sommers und Soames.«
Anthony nickte wieder. Er hatte zwar niemals von einer solchen Firma gehört, aber der Name klang ganz nach Rechtsanwälten.
Mr. Frenchan sah auf die Uhr.
»Ich glaube, wir könnten ihn jetzt treffen. Sie werden es bestimmt nicht bereuen, seine Bekanntschaft gemacht zu haben. Er ist ein tüchtiger Schotte, aber ein Mann mit einem goldenen Herzen. Er sieht in jedem Menschen eigentlich einen möglichen Verbrecher.« Mr. Frenchan lächelte vor sich hin und schüttelte den Kopf. »Aber schließlich wird ihn ja sein Beruf zu solchen Anschauungen gebracht haben«, meinte er nachdenklich.
»Ich habe bei meinem Rechtsanwalt ähnliche Wahrnehmungen gemacht«, sagte Anthony ruhig. »Im allgemeinen sind Juristen ja vorsichtige Leute, und die erste Folge der Vorsicht ist, daß man zunächst immer das Schlechtere vermutet.«
Mr. Frenchan stand auf.
»Kommen Sie mit. Wir wollen einmal sehen, ob es uns gelingt, ihn zu finden. Am ehesten treffen wir ihn jetzt in der Nähe des Gerichts. Mir liegt sehr viel daran, daß Sie ihn kennenlernen.«
Als sie durch den Empfangsraum gingen, sah ihn der Mann, der das Fremdenbuch führte, durchdringend an, aber Anthony kümmerte sich nicht weiter darum. Es war ihm durchaus nicht erwünscht, daß die Geldfrage in Gegenwart seines neuen, reichen Freundes erörtert wurde. Mr. Frenchan rief einen Wagen an, und nach kurzer Zeit hielten sie vor dem Portal des Zentralgerichtshofes.
»Sehen Sie, dort steht er«, sagte Mr. Frenchan. »Das ist aber ein unerwarteter Glückszufall.«
Ein schmächtiger, bleicher Mann, der sehr düster blickte, stand in nachdenklicher Haltung auf den Stufen der breiten, großen Treppe. Er trug einen tadellosen Zylinder und nickte Mr. Frenchan kurz zu. Man konnte sich leicht vorstellen, daß dieser Mann die ganze Welt von Verbrechern bevölkert glaubte. Er betrachtete die vielen Menschen, die durch die Türen eilten, mit dem Basiliskenblick eines zur Untätigkeit verdammten Henkers.
»Ich möchte Ihnen meinen Freund Newton vorstellen, Whipplewhite«, sagte Frenchan, und der Rechtsanwalt streckte den anderen seine kalte Hand entgegen. »Können Sie uns nicht irgendwohin begleiten - ich möchte Sie gerne sprechen.«
Mr. Whipplewhite schüttelte traurig den Kopf.
»Es tut mir leid, das ist nicht
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