053 - Der Gast aus dem Totenreich
steckte der Maestro, der doch eigentlich schon hier sein sollte?
Die Villa machte einen unbewohnten Eindruck. Überall roch es modrig, die Luft war stickig, auf den Möbeln lag Staub. Aber nichts war zerbrochen, zerrissen, umgestürzt. Jedes Stück stand an seinem Platz. Dorian schenkte den Gemälden besondere Aufmerksamkeit.
Bevor er in das Musikzimmer ging, machte er vor dem großen, mit einem schwarzen Tuch verdeckten Bild halt. Er schlug den Stoff zurück. Dahinter verbarg sich kein Gemälde, sondern ein riesiger Spiegel.
Er ließ das Tuch wieder darüber gleiten. Nachdenklich betrat er das Musikzimmer. Auch hier entdeckte er einen kleineren, schwarz überstrichenen Spiegel, danach einen weiteren, der ebenfalls mit Stoff verhangen war. Mitten im Raum stand ein Stuhl. Darauf ruhte die Violine. Der Bogen lag daneben.
Dorian ging hin, beugte sich darüber und strich mit einem Finger sanft über die Saiten. Der Klang war harmonisch. Die Geige musste also erst vor kurzem benutzt worden sein, denn die Katzendarmsaiten verzogen sich binnen Stunden wieder.
Dorian nahm das Instrument auf, blickte durch das Schallloch und las Amati. Er hielt die Violine mit einer Hand fest und strich mit einem Finger erneut über die Saiten, diesmal kräftiger.
Der Klang schwebte durch den Raum – und die gesamte Villa. Der Dämonenkiller lauschte.
Dann hörte er ein Geräusch. Er legte das Instrument auf seinen Platz zurück und ging dem Geräusch nach. Als er die Vorhalle betrat, vernahm er es wieder – einen schluchzenden Laut. Nur wenige Sekunden vergingen, dann wiederholte sich der Laut. Die Geräusche häuften sich, gingen bald in Wimmern und Greinen über.
Dorian folgte den unheimlichen Lauten.
Er geriet an eine Tür. Vorsichtig zog er sie auf. Vor ihm lag ein stockfinsterer Gang. Er wäre fast gestürzt, denn Treppenstufen führten in die Tiefe hinab.
Er schlich in den Keller der Villa. Das schaurige Klagen und Wimmern rückte näher. Dorian fuhr mit der Hand unters Hemd und legte sie auf die gnostische Gemme, die ihm als Talisman diente. Eine eigenartige Kraft ging von dem Edelstein aus.
Die Stufen endeten, der Gang führte weiter. Das Greinen wurde leiser. Der Dämonenkiller hörte das Tropfen von Wasser. Er spürte die Feuchtigkeit und roch den Moder und Schimmel.
Die gruseligen Laute verstummten ganz. Dorian sah ein grünes Licht schimmern und strebte darauf zu. Überraschend endete der Gang plötzlich. Dorian Hunter schaute in einen tiefen Raum mit flacher Decke und Wänden aus groben Bruchsteinquadern. Im Licht, dessen Herkunft nicht zu ergründen war, glänzten die Steine. Die Gegenstände, die sich in diesem Kellerraum befanden, waren zum größten Teil mit Schimmel bedeckt. Am Ende des Raumes – dort, wo das grüne Licht am stärksten war – erhob sich ein mächtiger Felsblock. Darin steckte ein Schwert. Es ragte nur halb heraus. Normalerweise war es überhaupt nicht möglich, eine solche Waffe in einen Stein zu rammen; aber hier ließ sich nichts mit normalen Maßstäben messen. Die Wand hinter dem Schwertblock war mit einem wüsten Gemälde bedeckt. Teufelsgestalten und widerliche kleine Dämonen balgten sich in abstoßender Weise. Die Farben waren düster, und doch leuchteten sie geheimnisvoll.
Dorian gewahrte eine Streckbank, einen Hauklotz mit einem Beil, Daumenschrauben und andere Folterinstrumente.
Langsam näherte er sich dem Schwertklotz. Das Wimmern war wieder hörbar. Es schien aus dem teuflischen Gemälde zu kommen, im nächsten Augenblick von der Decke, dann wieder aus irgendeiner hinter ihm liegenden Ecke.
Dorian packte den Griff des Schwertes. In diesem Moment schlug das leise Weinen in Fauchen um. Etwas polterte. Dorian fuhr herum. Hinter ihm war nichts.
Er unternahm einen neuen Versuch. Mit aller Kraft zerrte er an dem gewaltigen Schwert. Der Form des Griffes und des Heftes nach schien es ihm ein mittelalterliches Richtschwert zu sein. Er zog und rüttelte daran, aber so sehr er sich auch anstrengte, er brachte es nicht aus dem Block.
Die Decke begann sich zu bewegen. Gleichzeitig fauchte etwas über ihm, knurrte und knackte.
Der Dämonenkiller ließ los. Er holte die gnostische Gemme hervor und presste sie auf den Schwertgriff. Da hörten die grausigen Geräusche wieder auf.
Dorian wischte sich den Schweiß von der Stirn. Das Schwert fesselte ihn, aber er wusste nicht, welche Bedeutung es hatte und wie er es herausbekommen konnte. Er beschloss, sich zunächst in den anderen Teilen
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