0530 - Der Magus von Zypern
der Jane Collins.
»Es stimmt, was Magus gesagt hat, John. Nur ich kann in diesem Zustand das Skelett vernichten. Du vielleicht auch, aber mir wäre damit nicht geholfen.«
»Okay, das nehme ich hin. Aber wer verbirgt sich hinter diesem roten Gerippe?«
Die Antwort gab mir der Magus. »Es ist Selim Kale, ein mächtiger Pascha und Günstling der Dschinns. Er hat sich mit den Geistern angefreundet, die über die Natur herrschten, er hat ihnen sogar Menschenopfer dargebracht, und sie haben ihn nicht vergessen. Sie bestrichen ihn mit dem Blut eines Mörders, legten ihn in einen Sarg und warteten auf seine Rückkehr. Er ist gefährlich, er ist mächtig, denn die Kraft der Dschinns läßt es zu, daß er die Erde verändert. Das Glühen der Felsen, das Fauchen des Feuers, das alles war erst der Anfang. Es wird schlimmer kommen, wenn wir ihn nicht vernichten. Und diese Aufgabe wird Jane Collins übernehmen.«
»Ohne Waffen?« höhnte ich.
»Sie selbst ist Waffe genug.«
Das konnte verstehen, wer wollte, ich nicht. Deshalb hob ich die Schultern.
»Erkläre du es ihm, Jane!« verlangte der Magus.
»Ich werde auf das Skelett zugehen und es vor die Entscheidung stellen. Kampf oder Aufgabe.«
»Dämonen geben nie auf!« hielt ich ihr entgegen. Ich wunderte mich schon darüber, daß Selim Kale bisher noch nicht eingegriffen und uns hatte reden lassen.
»Das weiß ich selbst. Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als es zum Kampf kommen zu lassen. Ich will nicht mehr so leben, John. Ich will endlich wieder aussehen wie ein Mensch, und zwar Tag und Nacht. Und ich werde jede Chance nutzen, die sich mir bietet.«
»Das kann ich verstehen. Hoffentlich spielt dein neuer Freund nicht falsch.«
»John! Wie kannst du so etwas behaupten?«
»Vorsicht, Jane, die reine Vorsicht.«
»Ich spiele nicht falsch«, sagte der Magus. »Ich möchte nur in Ruhe leben und lehren können. Wir wollen dieses Land urbar und zu einer Oase des Friedens machen, wo uns niemand stören kann. In der Einsamkeit der Bergwelt werden meine Getreuen und ich den wahren Weg zur Erkenntnis suchen und auch finden. Ich bin bereit, ihnen dafür das geistige Rüstzeug zu geben. Hast du verstanden?«
»Sicher, es war nicht schwer.«
»Und jetzt gib bitte den Weg für Jane Collins frei, damit sie die Schlucht überschreiten kann.«
Verdammt, mir paßte es nicht, daß Jane waffenlos dem Skelett gegenübertrat. Ich besaß meine Waffen. Eigentlich wäre es nur recht und billig gewesen, Jane die Beretta oder auch das Kreuz zu übergeben.
Ja, das war die Idee. Niemand hatte gesagt, wie sie das Skelett vernichten sollte. Hauptsache, es existierte nicht mehr.
Ich ging vom Rand der Schlucht zurück. Noch immer trieben über uns dicke Wolken. Sie hielten sich auch in unserer Nähe auf und stiegen aus dem tiefen Grund der Schlucht allmählich nach oben.
Wie feiner Nebel krochen sie über die Ränder.
Jane konnte die Schlucht überspringen. Es kostete sie nur einen Anlauf. Bequemer hatte sie es, wenn sie das Unterteil des Sargs als Brücke benutzte.
Das genau hatte sie auch vor.
Die Detektivin näherte sich dem Sarg. In ihrem wächsernen Knochengesicht rührte sich nichts. Auch nicht in den Augen, die normal geblieben waren und eben nur von dem Gebein umschlossen wurden, wobei sie tiefer in den Höhlen lagen.
Jane erreichte das Ende des Sarges. Vorsichtig kletterte sie hinein, benutzte den Sarg als Brücke.
Der Steg aus Glas, dick und trotzdem durchsichtig, aber auch höllisch gefährlich.
Es war still geworden. Selbst der Wind hatte sich zurückgezogen und sang nicht mehr über das Felsgestein. Aus diesem Grund vernahm ich auch das leise und warnende Knirschen.
Mein Blick fiel auf das Unterteil.
Durch die Mitte zog sich bereits ein Riß, der noch größer wurde.
»Jane, gib acht!« brüllte ich und startete gleichzeitig.
Da brach der Sarg in der Mitte durch!
***
Wirkung und Gegenwirkung erfolgten zugleich!
Der Sarg war gebrochen. Splitter und größere Teile spritzten in die Höhe, während Jane Collins von der Erdanziehung in die Tiefe gerissen wurde. Sie kam nicht einmal dazu, einen Schrei auszustoßen, und auch ich war zu langsam.
Ich hätte schon Flügel haben müssen, um sie zu erreichen, doch die hatten weder ich noch der Magus von Zypern. Ich sah Jane noch zwischen den Glasteilen verschwinden und erreichte den Rand der Schlucht, wo ich mich auf die Knie fallen ließ.
»John…«
Ich starrte nach unten. Aus dem Maul der Skelettfratze war mir
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