0532 - Der Blutschwur
er.
»Sicher.«
Er fragte: »Wie geht es dir?«
»Außer drei gebrochenen Rippen, einigen Prellungen, dreißig blauen Flecken und sechzehn Beulen habe ich nichts.«
»Doch«, sagte er.
»Wieso?«
»Du bist schmutzig!«
»Leider mußte ich am Boden kämpfen. Beim nächsten Mal werde ich mir eine Decke besorgen.« Ich bückte mich und nahm das Kreuz auf. In meiner rechten Tasche ließ ich es verschwinden.
Suko kümmerte sich um den jungen Mann unter dem Grabstein.
Er versuchte, den schweren Stein hochzuwuchten, was ihm kaum gelang, so daß er mich rief, damit ich ihm helfen konnte.
Gemeinsam hoben wir den Stein an. Plötzlich war auch Michael Mitic da. Er faßte in die Achselhöhlen des jungen Mannes und zog ihn unter dem Stein weg.
Wimmernd blieb er liegen. Möglicherweise hatte er sich sofort etwas gebrochen, zumindest aber verstaucht.
»Wie heißt du?« fragte Mitic.
»Petar.«
»Und wie weiter?«
»Petar Jurkowic.«
»Wie alt bist du?«
»Zwanzig.«
»So alt und noch so unvernünftig«, sagte der Polizeichef. »Meine Güte, was hättest du dir alles ersparen können!«
»Ja, ja!« keuchte Petar. »Ich hätte mir nichts ersparen können. Ich will weg, ich muß behandelt werden.«
»Kann dir dein Meister nicht helfen?«
»Er wird zurückkehren. Er läßt uns nicht im Stich, das schwöre ich euch. Er wird…« Der junge Mann sprach nicht mehr weiter. Er hatte sich falsch bewegt, und Schmerzen rissen ihm die Worte von den Lippen. »Ich muß weg, verdammt!« keuchte er. »Bitte …«
»Du kommst auch weg.«
Mitic übersetzte mir das Gespräch mit dem Finsteren. Auch ich war dafür, den jungen Mann so rasch wie möglich in ärztliche Behandlung zu geben. »Es wird ihm wehtun, wenn wir ihn transportieren«, sagte ich, und Mitic nickte.
Er sprach noch einmal mit Petar Jurkovic, der mir leid tat. Zu dritt hoben wir ihn hoch. Zuerst schrie er laut, dann wimmerte er nur noch. Wir trugen ihn so vorsichtig wie möglich über den Friedhof zu unserem Wagen, wo wir ihn in den Fond legten. Seine Schmerzen hatten noch immer nicht nachgelassen, er unterdrückte sie jetzt tapfer.
Mitic wollte mit dem Lastwagen vorfahren, den hatten die Finsteren bei ihrer Flucht zurückgelassen.
»Da liegt noch einer im Führerhaus«, sagte Suko, ging hin, riß die Tür auf und schimpfte, weil der Kerl verschwunden war. »Entweder habe ich nicht hart genug zugeschlagen, oder sie haben ihn mitgenommen.«
»Wahrscheinlich letzteres«, sagte ich.
Suko holte den Wagenschlüssel aus seiner Tasche und warf ihn Michael Mitic zu.
»Ich fahre mit dem Lastwagen vor.«
»Wie weit ist das nächste Krankenhaus entfernt?« wollte ich wissen.
»Vielleicht sechs, sieben Kilometer.«
»Okay.«
Wir stiegen in Mitic’ Dienstwagen. Das Innere war erfüllt von dem Jammern des Jungen. »Sprichst du Englisch?« fragte ich ihn.
»Etwas…«
Suko wollte fahren, so konnte ich mich mit Petar unterhalten. »Du hast es dir selbst zuzuschreiben, mein Junge, weil du den falschen Weg gegangen bist.«
»Nein, es ist der richtige. Nur der Weg ins Jenseits bedeutet die Freiheit.«
»Stammt das von eurem Dekan?«
»Auch.«
»Wer hat es noch gesagt?«
»Ramis!«
Ich sagte zunächst einmal nichts, weil wieder ein neuer Name aufgetaucht war.
Ramis, überlegte ich. Hatte ich diesen Namen schon mal gehört?
Das konnte sein, jedenfalls kam ich nicht darauf. Suko hatte den Motor schon angelassen. Er wartete darauf, daß uns Mitic passierte. Die Kegel blasser Scheinwerfer huschten durch das Innere unseres Fahrzeugs, dann rollte der kleine Lkw vorbei.
Jetzt startete auch Suko. Der schlechte Untergrund sorgte dafür, daß unser Fahrzeug schaukelte, was dem Verletzten nicht guttat.
»Meine Beine«, jammerte er. »O je, bitte, nicht so schnell.«
»Es ist bald vorbei«, tröstete ich ihn. »Auf der Straße geht es bestimmt besser.«
»Hoffentlich.«
Ich verhörte ihn auch nicht mehr weiter. Erst als die normale Straße unter den Reifen lag, stellte ich ihm wieder eine Frage. »Wer oder was ist Ramis?«
»Ein… ein Inder«, sagte er leise. »Ein großer Philosoph und Magier. Er hat als erster den Weg in das Glück und die Freiheit gefunden. Seine Philosophie ist mächtig.«
»Aber falsch!« belehrte ich ihn.
»Nein, sie muß gut sein. Sie ist einfach gut. Das kannst du mir glauben.«
»Und euer Dekan hat sie übernommen?«
»Ja, er gab sie an uns weiter. Der Schwan und die Karten sind die Führer in die andere Welt.«
»Wieso der
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